Egon Schiele
Tulln 1890–1918 Wien
1890–1905
Egon Leo Adolf Schiele wurde am 12. Juni 1890 in Tulln geboren. Seine Mutter, Maria „Marie“ Schiele (geb. Soukup, 1862–1935), stammte aus der südböhmischen Stadt Krumau (Český Krumlov) und war Tochter eines Bauunternehmers. Sein Vater, Adolf Eugen Schiele (1850–1904), hatte seine Wurzeln in Norddeutschland; als Stationsvorstand von Tulln wohnte er mit seiner Familie (Abb. 1) in einer Dienstwohnung im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes. Aus der Ehe gingen auch drei Töchter hervor: Die Erstgeborene, Elvira (1883–1893), starb im Alter von nur zehn Jahren; Melanie (1886–1974) kam vier Jahre vor, Gertrude (1894–1981) vier Jahre nach Egon zur Welt. Die jüngere Schwester „Gerti“ stand Egon schon früh Modell, zu ihr hatte er das engste Verhältnis.
Zwischen 1896 und 1900 besuchte Egon Schiele die Volksschule in Tulln; er zeichnete bereits eifrig, darunter immer wieder Züge und andere Motive vom Tullner Bahnhof. 1901 wurde er auf das Realgymnasium in Krems geschickt, 1902 erfolgte wegen mangelnden Schulerfolges der Wechsel an das neu errichtete Gymnasium in Klosterneuburg, wo er u. a. bei seinem früheren Hauslehrer wohnen durfte. Schieles schulische Leistungen blieben mäßig.
Ab 1902 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Vaters stetig – er war, nach heutiger Einschätzung, an Syphilis erkrankt. Im Herbst 1904 wurde er dienstunfähig und die Familie übersiedelte nach Klosterneuburg. In der Silvesternacht des Jahres starb Adolf Schiele. Sein Tod stellte einen großen Verlust für den Sohn dar.
Egon Schieles in Wien lebender, vermögender und konservativer Onkel Leopold Czihaczek (1842–1929), Ingenieur und Oberinspektor der k. k. Staatsbahnen, übernahm die Vormundschaft. Ab dieser Zeit nutzte Egon gemeinsam mit seiner Schwester Gerti die Freikarte der Staatsbahn, die den beiden Halbwaisen zustand. Mehrmals fuhren sie nach Triest, wohin schon ihre Eltern die Hochzeitsreise unternommen hatten.
1 | Josef Müller: Marie und Adolf Schiele mit ihren Kindern Egon, Melanie und Elvira, 1893
© Leopold Museum, Wien
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1906–1908
Czihaczek sah für Schiele ein Studium an der Technischen Hochschule in Wien vor, jedoch beendete dieser seine Schulzeit mit schlechtem Abschluss. Einige Lehrer befürworteten und unterstützen eine künstlerische Ausbildung, die auch bei der Mutter Anklang fand. Im Herbst 1906 bewarb Schiele sich erfolgreich an der Akademie der bildenden Künste in Wien und wurde der jüngste Student seines Jahrganges (Abb. 2). Marie Schiele übersiedelte in Folge mit ihren Kindern nach Wien. Unter seinen Kommilitonen fand Egon Schiele schnell Gleichgesinnte, darunter war auch sein späterer Schwager Anton Peschka (1885–1940). Der Schwerpunkt des Lehrplans lag auf dem Zeichnen auf Papier.
Schiele suchte im Jahr 1907 erstmals Kontakt zu Gustav Klimt (1862–1918), dem gefeierten Meister des Wiener Jugendstils. Klimt wurde einer seiner wichtigsten Impulsgeber und vermittelte ihm Kontakte zu Künstler- und Sammler*innen. Sein erstes eigenes Atelier bezog Schiele in der Kurzbauergasse 6 im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Ab 1907 mischten sich in Schieles Palette die vom Jugendstil propagierten Farbtöne und Flächenformen, und auch das quadratische Format prägte zunehmend seine Bildwerke: Der Einfluss von Klimt war fortan unverkennbar.
Im Mai 1908 beteiligte sich Schiele in Klosterneuburg erstmals an einer Ausstellung. Hier wurde Heinrich Benesch (1862–1947), Zentralinspektor der Südbahn, auf den jungen Künstler aufmerksam. Obwohl nicht wohlhabend, sollte Benesch über Jahre hinweg eine der wichtigsten Sammlungen von Schieles Arbeiten auf Papier zusammentragen – heute bildet diese Sammlung den Kern des Schiele-Bestandes der Albertina in Wien.
2 | Adolf Bernhard: Egon Schiele mit Palette, September 1906
© Leopold Museum, Wien
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1909
1908/09 rückte Schiele in die Allgemeine Malklasse von Christian Griepenkerl (1839–1916) auf, einem der Hauptvertreter der Wiener Ringstraßenmalerei. Das Verhältnis zum rückwärtsgewandten Professor war von Anfang an schwierig, Schiele erhielt in fast allen Fächern nur ein „Genügend“.
Auf Einladung von Gustav Klimt erhielt Schiele im Sommer 1909 die Möglichkeit, bei der Internationalen Kunstschau in Wien auszustellen. Durch die Teilnahme an der Ausstellung ergaben sich Kontakte zu den Architekten und Designern Josef Hoffmann (1870–1956) und Eduard Wimmer-Wisgrill (1882–1961), sowie zu anderen Vertreter*innen der Wiener Werkstätte.
Nach gravierenden Auseinandersetzungen mit Griepenkerl – in einer Petition wurde dieser mit suggestiven Fragen konfrontiert – traten einige Studenten aus der Akademie aus. Kurz zuvor gründete Schiele gemeinsam mit anderen die Neukunstgruppe – Schiele war Präsident und Sekretär zugleich. Die erste Ausstellung des Kollektivs fand im Dezember 1909 im Kunstsalon Pisko am Wiener Schwarzenbergplatz statt. Anton Faistauer (1887–1930) entwarf das Plakat (Abb. 3), Schiele verfasste ein Manifest, das leicht abgeändert fünf Jahre später in der Berliner Zeitschrift Die Aktion abgedruckt wurde: „Es gibt nur wenig, ganz wenig Neukünstler. Erkorene. Der Neukünstler muß unbedingt er selbst sein; er muß Schöpfer sein; er muß unvermittelt, ohne all das Vergangene und Hergebrachte zu benützen, ganz allein den Grund in sich haben, auf dem er baut.“
3 | Anton Faistauer, Plakat zur ersten Ausstellung der Neukunstgruppe im Kunstsalon Pisko, 1909, Privatsammlung
Foto © Leopold Museum, Wien
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1910
Im Jahr 1910 gelangte Schiele zu seiner eigenen, einzigartigen Ausdruckskunst. Der Bruch mit der Akademie bedeutete auch eine Abkehr von den ästhetisch-dekorativen Konventionen des Jugendstils. Er vollzog in einer Serie von rasch entstandenen Aquarellen und Gemälden die Wende zu einem Expressionismus radikalster Art. Im November 1910 schrieb Schiele in einem Brief (Abb. 4) an den Kunsthistoriker Josef Strzygowski (1862–1941): „Ich bin durch Klimt gegangen bis März. Heute glaub ich bin ich der ganz andere.“
Fast abrupt traten die von Ornament und Flächenbezug ausgehenden Gestaltungsmuster des Jugendstils in den Hintergrund. Stattdessen machte Schiele den menschlichen Körper und seine Gebärden zum hauptsächlichen Bildgegenstand (Abb. 5). Betörende Schönheit und tragische Hässlichkeit, scharfkantige Lineatur und denaturierte Koloristik verbinden sich in den gespannten und doch zerbrechlichen Figuren zu einer psychologischen Wahrheitsfindung hinter allem schönen Schein.
Zur selben Zeit verfasste er Gedichte unter dem Einfluss von Arthur Rimbaud (1854–1891). Poetische Titel begleiteten von nun an auch seine Bilder. Arthur Roessler (1877–1955) trat als Rezensent und in der Folge als bedeutender Mentor in sein Leben – durch ihn wurde zudem der Kontakt zu den Sammlern Carl Reininghaus (1857–1929) und Oskar Reichel (1869–1943) möglich.
Sein Freund Erwin Osen (1891–1970) und dessen exzentrischer Charakter beeindruckten Schiele nachhaltig. Osen nutzte gemeinsam mit Schiele ein Atelier in der Alserbachstraße und stand ihm für eine Reihe von Aquarellen Modell; ab Mai 1910 verbrachten die beiden gemeinsam mit Peschka mehrere Monate in Krumau – gegen den Willen von Schieles Vormund Czihaczek.
4 | Brief von Egon Schiele an Josef Strzygowski, November 1910
© Leopold Museum, Wien
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Auch die Tänzerin Moa Mandu, Osens Partnerin, hielt Schiele in einigen Zeichnungen fest. Aus einer Begegnung mit dem Künstler Max „Mopp“ Oppenheimer (1885–1954) entwickelte sich eine längere Freundschaft, die monatelanges gemeinsames Arbeiten und gegenseitiges Modellstehen inkludierte.
In der II. Frauenklinik in Wien entstanden, wohl mit Unterstützung des dort tätigen Gynäkologen Erwin von Graff (1878–1952), Schieles Darstellungen von Schwangeren und Neugeborenen – eine weitere Formulierung der ihn in Bann haltenden existenziellen Themen Sexualität, Fruchtbarkeit, Geburt, Gebrechlichkeit und Tod.
Schieles Beiträge für verschiedene Ausstellungen erhielten positive Resonanz. Zunächst fand im Februar 1910 im Klub Deutscher Künstlerinnen in Prag die zweite Ausstellung der Neukunstgruppe statt. Neben Schiele sind nun u. a. Faistauer, Hans Böhler (1884–1961), Albert Paris Gütersloh (1887–1973) und Rudolf Kalvach (1883–1932) vertreten. Die Gruppe schmiedete weitreichende Pläne an der Schnittstelle von Malerei und Literatur.
Auf Einladung von Josef Hoffmann, dem Leiter der Wiener Werkstätte, nahm Schiele an der Ersten Internationalen Jagdausstellung in der Rotunde im Wiener Prater teil, die von Mai bis Oktober 1910 lief. Er zeigte einen heute verschollenen lebensgroßen sitzenden Frauenakt. Angeblich soll sich Kaiser Franz Joseph beim Anblick des Werkes mit den Worten „Das ist ja ganz entsetzlich!“ abgewandt haben.
In der II. Frauenklinik in Wien entstanden, wohl mit Unterstützung des dort tätigen Gynäkologen Erwin von Graff (1878–1952), Schieles Darstellungen von Schwangeren und Neugeborenen – eine weitere Formulierung der ihn in Bann haltenden existenziellen Themen Sexualität, Fruchtbarkeit, Geburt, Gebrechlichkeit und Tod.
Schieles Beiträge für verschiedene Ausstellungen erhielten positive Resonanz. Zunächst fand im Februar 1910 im Klub Deutscher Künstlerinnen in Prag die zweite Ausstellung der Neukunstgruppe statt. Neben Schiele sind nun u. a. Faistauer, Hans Böhler (1884–1961), Albert Paris Gütersloh (1887–1973) und Rudolf Kalvach (1883–1932) vertreten. Die Gruppe schmiedete weitreichende Pläne an der Schnittstelle von Malerei und Literatur.
Auf Einladung von Josef Hoffmann, dem Leiter der Wiener Werkstätte, nahm Schiele an der Ersten Internationalen Jagdausstellung in der Rotunde im Wiener Prater teil, die von Mai bis Oktober 1910 lief. Er zeigte einen heute verschollenen lebensgroßen sitzenden Frauenakt. Angeblich soll sich Kaiser Franz Joseph beim Anblick des Werkes mit den Worten „Das ist ja ganz entsetzlich!“ abgewandt haben.
5 | Egon Schiele, Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung), 1910
© Leopold Museum, Wien
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1911
Der Künstler Albert Paris Gütersloh schrieb einen eindrucksvollen Essay über Schiele. Es kam zur ersten Kollektivausstellung in der Galerie Miethke und zur Verbindung mit dem Münchner Kunsthändler Hans Goltz (1873–1927), der Schiele in den folgenden Jahren zur Teilnahme an einigen Ausstellungen in Deutschland verhalf. Im November wurde Schiele, wohl auf Initiative von Oppenheimer, in die Künstlervereinigung Sema aufgenommen, der auch Paul Klee (1879–1940) und Alfred Kubin (1877–1959) angehörten.
Im Frühjahr lernte er Walburga „Wally“ Neuzil (1894–1917) als Modell kennen und lieben (Abb. 6). Gemeinsam übersiedelten sie nach Krumau: Hier begann für Schiele eine der künstlerisch fruchtbarsten Zeiten. Doch die freie Lebensgemeinschaft mit Neuzil und das Aktzeichnen im Freien erregten Ärgernis, bereits im Frühsommer mussten sie Krumau wieder verlassen.
Schiele ließ sich bald darauf in Neulengbach, einer kleinen Landgemeinde in der Nähe von Wien, nieder. Er genoss die Natur und gedachte, für immer dortzubleiben. In den folgenden Monaten entstanden wichtige Gemälde, die Schiele im folgenden Jahr im Rahmen zahlreicher Ausstellungen in Österreich und Deutschland präsentierte.
Schiele ließ sich bald darauf in Neulengbach, einer kleinen Landgemeinde in der Nähe von Wien, nieder. Er genoss die Natur und gedachte, für immer dortzubleiben. In den folgenden Monaten entstanden wichtige Gemälde, die Schiele im folgenden Jahr im Rahmen zahlreicher Ausstellungen in Österreich und Deutschland präsentierte.
6 | Anonym: Wally Neuzil, 1913
© Leopold Museum, Wien
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1912
Im Januar stellte Schiele, neben Arnold Schönberg (1874–1951), Oskar Kokoschka (1886–1980) und anderen, im Budapester Művészház (Künstlerhaus) aus. Im Zuge der Frühjahrsausstellungen des Wiener Hagenbundes und der Münchener Secession folgten weitere Präsentationen seiner Werke.
Die Zeit des frühen künstlerischen Höhenflugs wurde jäh unterbrochen: Nach einer Anzeige durch Ritter Theobald von Mossig im April 1912 wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Entführung und der Schändung der 13-jährigen Tatjana von Mossig sowie auch des Vorwurfs der Sittlichkeitsübertretung durch das Zugänglichmachen seiner Zeichnungen unbekleideter Mädchen an Minderjährige ermittelt. Am 13. April 1912 wurde Schiele im Gefängnis von Neulengbach festgesetzt, wo er 21 Tage in Untersuchungshaft verbringen musste. Im Zuge der Gerichtsverhandlung in St. Pölten wurde er vom Vorwurf der Entführung und Schändung freigesprochen, jedoch wegen „gröblicher und öffentliches Ärgernis verursachender Verletzung der Sittlichkeit oder Schamhaftigkeit“ zu drei Tagen Arrest verurteilt, weil er erotische Zeichnungen in einem Raum aufgehängt hatte, der auch Minderjährigen zugänglich war. Eine schwere persönliche Krise war die Folge.
Nach dieser sogenannten „Neulengbach-Affäre“ kehrte Schiele nach Wien zurück und übernahm kurzzeitig Osens Atelier in der Höfergasse 18, während dieser den Sommer in Krumau verbrachte. Im Sommer unternahm Schiele einige Reisen und besuchte alte Lieblingsorte, darunter Triest, wo Studien nach Booten im Hafen entstanden. Im August fuhr er nach München, wo er Werke der deutschen Expressionisten sah. Wally Neuzil begleitete den Künstler an den Wörthersee in Kärnten und an den Bodensee in Vorarlberg.
In der von Mai bis September stattfindenden Internationalen Sonderbundausstellung in Köln – eine der bedeutendsten Ausstellungen der Vorkriegszeit, in der über 600 Exponate einen repräsentativen Überblick über das zeitgenössische Kunstschaffen lieferten – wurden auch drei Gemälde von Schiele gezeigt.
Im Sommer begann ein reger Kontakt zwischen Schiele und dem deutschen Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, Museumsgründer und Vorsitzender der Künstlervereinigung Sonderbund. Osthaus organisierte im Hagener Folkwang Museum eine Ausstellung und zeigte parallel Werke von Schiele und Wilhelm Lehmbruck (1881–1919). Der Mäzen kaufte das Bild Die kleine Stadt I (Tote Stadt VI) für die Sammlung an. Es war der erste Ankauf eines Schiele-Werkes durch ein Museum.
Im Oktober fand der Künstler ein geeignetes Atelier in der Hietzinger Hauptstraße 101 im 13. Wiener Gemeindebezirk, das er bis zu seinem Lebensende nutzte (Abb. 7). Schiele ließ die Wände weiß streichen, alle Einrichtungsgegenstände hingegen hielt er in verschiedenen Schwarztönen.
Im Sommer begann ein reger Kontakt zwischen Schiele und dem deutschen Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, Museumsgründer und Vorsitzender der Künstlervereinigung Sonderbund. Osthaus organisierte im Hagener Folkwang Museum eine Ausstellung und zeigte parallel Werke von Schiele und Wilhelm Lehmbruck (1881–1919). Der Mäzen kaufte das Bild Die kleine Stadt I (Tote Stadt VI) für die Sammlung an. Es war der erste Ankauf eines Schiele-Werkes durch ein Museum.
Im Oktober fand der Künstler ein geeignetes Atelier in der Hietzinger Hauptstraße 101 im 13. Wiener Gemeindebezirk, das er bis zu seinem Lebensende nutzte (Abb. 7). Schiele ließ die Wände weiß streichen, alle Einrichtungsgegenstände hingegen hielt er in verschiedenen Schwarztönen.
Neuzil war zu dieser Zeit sein wichtigstes, allerdings nie sein einziges Modell. Sie posierte für den Künstler nicht unentgeltlich, sondern bekam, wie seine anderen Berufsmodelle, die Sitzungen bezahlt. Überdies unterstützte sie ihn bei alltäglichen Geschäften. Schiele verheimlichte die Liebesbeziehung mit Neuzil weder vor seinen Gönner- und Sammler*innen, noch vor seiner Familie.
Klimt stellte den Kontakt zum bedeutenden Kunstsammler und Industriellen August Lederer (1857–1936) her. Gemeinsam mit seiner Frau Serena Lederer (1867–1943) gehörte dieser zu den wichtigsten Sammler*innen der Werke von Klimt. Deren Sohn Erich (1896–1985) wurde Schieles Schüler und Freund. Weihnachten und Neujahr verbrachte Schiele mit der Familie Lederer auf deren Besitzungen im ungarischen Győr.
7 | Johannes Fischer: Egon Schiele vor dem Spiegel im Hietzinger Atelier, 1915
© Leopold Museum, Wien
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1913
Schieles Ansehen als Künstler stieg zunehmend. Am 17. Januar 1913 wurde er in den Bund Österreichischer Künstler, dessen Präsident Klimt war, aufgenommen. Ausstellungsbeteiligungen in Budapest, München, Düsseldorf, Dresden und Berlin folgten. Von Juni bis Juli veranstaltete die Münchner Galerie Goltz eine große Einzelausstellung. In Wien nahm Schiele an der Internationalen Schwarz-Weiß-Ausstellung und an der XLIII. Ausstellung der Wiener Secession teil. Außerdem veröffentlichte er in der Berliner Zeitschrift Die Aktion einige seiner Zeichnungen und Prosagedichte.
Schiele reiste erneut nach Triest, besuchte Salzburg und München und erholte sich gut einen Monat am Ossiacher See in Kärnten. Gemeinsam mit Neuzil unternahm er im Frühjahr einen Ausflug nach Maria Laach am Jauerling und trug sich dort künstlerisch ins Gästebuch ein.
Während der Sommermonate verbrachten die beiden eine Woche in Krumau. Im Juli folgte er der Einladung Arthur Roesslers, und verbrachte einige Tage bei ihm und dessen Frau Ida Roessler (1877–1961) in Altmünster am Traunsee, wohin er auch Neuzil mitnahm (Abb. 8).
Schiele reiste erneut nach Triest, besuchte Salzburg und München und erholte sich gut einen Monat am Ossiacher See in Kärnten. Gemeinsam mit Neuzil unternahm er im Frühjahr einen Ausflug nach Maria Laach am Jauerling und trug sich dort künstlerisch ins Gästebuch ein.
Während der Sommermonate verbrachten die beiden eine Woche in Krumau. Im Juli folgte er der Einladung Arthur Roesslers, und verbrachte einige Tage bei ihm und dessen Frau Ida Roessler (1877–1961) in Altmünster am Traunsee, wohin er auch Neuzil mitnahm (Abb. 8).
8 | Anonym: Egon Schiele und Arthur Roessler vor Schloss Ort, Juli 1913
© Leopold Museum, Wien
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1914
Im Haus gegenüber von Schieles Atelier, der Hietzinger Hauptstraße 114, befand sich die Wohnung der bürgerlichen Familie Harms. Anfang des Jahres begann sich eine Tändelei mit den beiden Töchtern Edith (1893–1918) und Adele (1890–1968) zu entwickeln. Über Goltz in München erhielt Schiele das Angebot eines längeren Aufenthalts in Paris – eine Reise, die er jedoch nie antrat. Schiele zog auch Berlin oder München als künftigen Lebensmittelpunkt in Betracht.
Nachdem der Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet wurde, erklärte Österreich-Ungarn am 28. Juli den Krieg an Serbien. Drei Tage später folgte die Generalmobilmachung. Schiele teilte die unter vielen Künstlern verbreitete patriotische Begeisterung für den Krieg nicht. Nach zweimaliger Musterung wurde er als untauglich eingestuft und blieb vorerst vom Kriegsdienst verschont.
Er begann mit neuen Techniken zu experimentieren und ließ sich vom Maler und Grafiker Robert Philippi (1877–1959) in die druckgrafischen Technik der Radierung einführen. In Zusammenarbeit mit Anton Josef Trčka (1893–1940) und Johannes Fischer (1888–1955) entstanden fotografische Selbstbildnisse in expressiven Posen (Abb. 9).
Schieles Ausstellungsbeteiligungen nahmen ungeachtet des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs zu. Erstmals nahm er in diesem Jahr auch an Ausstellungen außerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie teil: in Rom, Brüssel und Paris.
9 | Anton Josef Trčka: Egon Schiele vor seinem heute verschollenen Gemälde Begegnung, 1914
© Leopold Museum, Wien
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1915
Die Galerie Arnot in Wien widmete dem jungen Künstler Anfang des Jahres 1915 eine einmonatige Einzelausstellung, bei der 16 Gemälde und etliche Arbeiten auf Papier präsentiert wurden.
Im Frühjahr trennte sich Schiele von Wally Neuzil, Edith Harms (Abb. 10) hatte „klare Verhältnisse“ gefordert. Schiele und Harms heirateten am 17. Juni 1915 in Wien. Anschließend reiste das Paar gemeinsam nach Prag, wohin Schiele zum Kriegsdienst einberufen worden war: Bereits Ende Mai war er bei einer abermaligen, dritten Musterung für tauglich befunden worden. Am 21. Juni trat er in Prag seinen Dienst als Einjährig-Freiwilliger an; vier Tage später erfolgte bis 20. Juli die militärische Grundausbildung im böhmischen Neuhaus (Jindřichův Hradec), wohin Edith ihm nachfolgte.
Später wurde er in Baumgarten, am Exelberg bei Wien, und in Gänserndorf stationiert. Er fertigte eine Reihe von Porträts russischer Kriegsgefangener an. Für weitere künstlerische Tätigkeit blieb wenig Zeit.
Später wurde er in Baumgarten, am Exelberg bei Wien, und in Gänserndorf stationiert. Er fertigte eine Reihe von Porträts russischer Kriegsgefangener an. Für weitere künstlerische Tätigkeit blieb wenig Zeit.
10 | Anonym: Edith Schiele in gestreiftem Kleid mit Zigarette, um 1915
© Leopold Museum, Wien
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1916–1917
Im Januar 1916 konnte Schiele bei der Wiener Kunstschau in der Berliner Secession ausstellen. Unter anderem hing das Gemälde Entschwebung schräg gegenüber von Gustav Klimts Tod und Leben.
In einem Kriegstagebuch dokumentierte er seinen Alltag während der Stationierung in Liesing und später im Lager für kriegsgefangene Offiziere im niederösterreichischen Mühling (Abb. 11). Er setzte das Porträtieren der bewachten russischen Gefangenen auch hier fort und stellte diese in zutiefst persönlicher und empathischer Weise dar.
Im Januar 1917 erfolgte die Abkommandierung nach Wien; seine Vorgesetzten förderten ihn in seiner künstlerischen Arbeit. Schiele begann Projekte für die Zeit nach dem Krieg anzudenken: „Wir wissen, daß die Zeit des kommenden politischen Friedens die große Auseinandersetzung bringen wird zwischen den materialistischen Tendenzen unserer Zivilisation und jenen Resten edler Kultur, die uns das merkantile Zeitalter noch gelassen hat.“ Schiele wurde aktiv in der Gründung einer interdisziplinären Künstlervereinigung, der Kunsthalle, sowie als Mitorganisator der von Mai bis Oktober im Wiener Prater ausgerichteten Kriegsausstellung. Bei Richard Lányi (1884–1942) erschien im Mai 1917 die erste druckgrafische Mappe mit zwölf Reproduktionen.
In einem Kriegstagebuch dokumentierte er seinen Alltag während der Stationierung in Liesing und später im Lager für kriegsgefangene Offiziere im niederösterreichischen Mühling (Abb. 11). Er setzte das Porträtieren der bewachten russischen Gefangenen auch hier fort und stellte diese in zutiefst persönlicher und empathischer Weise dar.
Im Januar 1917 erfolgte die Abkommandierung nach Wien; seine Vorgesetzten förderten ihn in seiner künstlerischen Arbeit. Schiele begann Projekte für die Zeit nach dem Krieg anzudenken: „Wir wissen, daß die Zeit des kommenden politischen Friedens die große Auseinandersetzung bringen wird zwischen den materialistischen Tendenzen unserer Zivilisation und jenen Resten edler Kultur, die uns das merkantile Zeitalter noch gelassen hat.“ Schiele wurde aktiv in der Gründung einer interdisziplinären Künstlervereinigung, der Kunsthalle, sowie als Mitorganisator der von Mai bis Oktober im Wiener Prater ausgerichteten Kriegsausstellung. Bei Richard Lányi (1884–1942) erschien im Mai 1917 die erste druckgrafische Mappe mit zwölf Reproduktionen.
11 | Anonym: Egon Schiele mit Militärkollegen und Offizieren, 1916
© Leopold Museum, Wien
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1918
Das Jahr 1918 brachte für Schiele den größten Durchbruch: Einen Höhepunkt in seiner Ausstellungstätigkeit und auch einen bis dahin nie dagewesenen finanziellen Erfolg stellte die vom Künstler selbst mitorganisierte XLIX. Ausstellung der Wiener Secession im März 1918 dar, wo er 19 Ölgemälde und rund 30 Zeichnungen im zentralen Raum präsentierte. Schiele verkaufte fünf Gemälde und einige Zeichnungen.
Die Österreichische Staatsgalerie (später: Belvedere) erwarb unter der Direktion von Franz Martin Haberditzl (1882–1944) das Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele – der erste Ankauf eines Schiele-Gemäldes durch ein österreichisches Museum. Schieles Plakat für die Ausstellung, Tafelrunde, wurde zum Manifest der Künstlerfreundschaft (Abb. 12). Schiele sitzt der Tafel vor, der Platz ihm gegenüber soll im Entwurf noch Gustav Klimt zugedacht gewesen sein – doch dieser war am 6. Februar an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Schiele veröffentlichte in der Zeitschrift Der Anbruch einen Nachruf: „GUSTAV KLIMT | Ein Künstler von unglaublicher Vollendung | Ein Mensch von seltener Tiefe | Sein Werk ein Heiligtum.“
In der Folge gründete Schiele die Neue Secession Wien und plante Präsentationen in Prag, München, Budapest und Zürich, die zum Teil auch umgesetzt wurden. Im Sommer 1918 mietete er ein zusätzliches, größeres Atelier in der Wattmanngasse 6; in seinem bisherigen Atelier in der Hietzinger Hauptstraße plante er eine „Zeichen- und Malschule“ sowie eine „Meisterschule für Malerei“. Nach Zerwürfnissen innerhalb der Neuen Secession Wien kam es noch im September zur Gründung des Sonderbundes.
Ende Oktober erkrankte die im sechsten Monat schwangere Edith an der Spanischen Grippe, kurz darauf auch Egon Schiele. Drei Tage nach ihrem Tod, am 31. Oktober 1918, starb Egon Schiele an den Folgen der Krankheit. Seine letzten Worte, notiert von Adele Harms, sollten sich bewahrheiten: „Der Krieg ist aus – und ich muß geh’n. Meine Gemälde sollen in allen Museen der Welt gezeigt werden.“
Die Österreichische Staatsgalerie (später: Belvedere) erwarb unter der Direktion von Franz Martin Haberditzl (1882–1944) das Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele – der erste Ankauf eines Schiele-Gemäldes durch ein österreichisches Museum. Schieles Plakat für die Ausstellung, Tafelrunde, wurde zum Manifest der Künstlerfreundschaft (Abb. 12). Schiele sitzt der Tafel vor, der Platz ihm gegenüber soll im Entwurf noch Gustav Klimt zugedacht gewesen sein – doch dieser war am 6. Februar an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Schiele veröffentlichte in der Zeitschrift Der Anbruch einen Nachruf: „GUSTAV KLIMT | Ein Künstler von unglaublicher Vollendung | Ein Mensch von seltener Tiefe | Sein Werk ein Heiligtum.“
In der Folge gründete Schiele die Neue Secession Wien und plante Präsentationen in Prag, München, Budapest und Zürich, die zum Teil auch umgesetzt wurden. Im Sommer 1918 mietete er ein zusätzliches, größeres Atelier in der Wattmanngasse 6; in seinem bisherigen Atelier in der Hietzinger Hauptstraße plante er eine „Zeichen- und Malschule“ sowie eine „Meisterschule für Malerei“. Nach Zerwürfnissen innerhalb der Neuen Secession Wien kam es noch im September zur Gründung des Sonderbundes.
Ende Oktober erkrankte die im sechsten Monat schwangere Edith an der Spanischen Grippe, kurz darauf auch Egon Schiele. Drei Tage nach ihrem Tod, am 31. Oktober 1918, starb Egon Schiele an den Folgen der Krankheit. Seine letzten Worte, notiert von Adele Harms, sollten sich bewahrheiten: „Der Krieg ist aus – und ich muß geh’n. Meine Gemälde sollen in allen Museen der Welt gezeigt werden.“
12 | Egon Schiele, Tafelrunde. Plakat zur XLIX. Ausstellung der Wiener Secession, 1918
© Leopold Museum, Wien
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