Brief (Feldpost) von Anton Peschka an Egon Schiele
ESDA ID
1292
Nebehay 1979
1214, nicht vollst. transkribiert/not fully transcribed
Bestandsnachweis
Verbleib unbekannt
Datierung
02.06.1917 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
18,5 x 14,1 cm
9,8 x 14,9 cm (Kuvert)
9,8 x 14,9 cm (Kuvert)
Transkription
2. Juni 1917.
Lieber Egon.
Dein lieber Brief hat mich kolossal gefreut und auch
aufgerichtet! – Es sind so miserable Zustände in Allem
und Jedem da mich eckelt [!]! – Oft würde ich mich
glücklich schätzen wenn ich ein Maikäfer sein
könnte – mir wachsen die Nerven aus! –
Die Ruhe verdrießt mich noch mehr wie der Kampf.
Die Rußen sind impotent, wir auch also wa-
rum nicht Schluß machen? – Meinem letzten
Bericht an Dich habe ich absolut nichts beizufügen
es ist genauso wie vor 3 Monaten! – Dabei
aber wird man gelumpt und [s]chikaniert von den
Vorgesetzten! – Jetzt wagen sie sich täglich in
den Schützengraben und in der Reserve exerziert
man in ärgerer Weise als im Frieden! – Dagegen
hätt ich ja nichts – aber jeder Herr hat sein eigenes
Reglement und unsereiner muß daher anstatt
ein Reglement fünfe kennen je nachdem welche
Größe es ist die inspiziert! – Ich habs satt –
vollkommen satt! – So etwas ist eine erbärm-
liche Wirtschaft! – Man ist machtlos dagegen! –
Doch ich laße dieses um auf gescheiteres zu
kommen! – Die Kriegsausstellung ist im Pra-
||
ter nicht wahr – hoff auf 6 Tage Absentierung
nach Wien kommen zu können! – Schließlich muß
ich doch auch bald zum Kader wiederkommen und so
gesehen auf 20 [?] Tage nach Wien. Die Ausstellung
möcht ich sehen! Deine Mappe ist also er-
schienen nun aber ist es mir ein Bedürfnis sie
zurückzubekommen! – Mit Kriegsanleihezeichnen
und Nahrungsmitteleinkauf für meine Frau, ist
aber für Juni Geld weg! – Also werde erst Juli
die Bestellung machen können – haben muß
ich die Mappe – ist auch sehr billig! – Die
Idee für ein Mausoleum dein Bild zu verwenden
ist ganz hervorragend! – Ein Mosaik daraus
zu machen wäre wunderbar. – – – –
Du Glücklicher kannst die Sezession beschicken,
ich wünsche dir aufrichtig Glück dort! –
Es hat sich bewahrheitet das auf Befehl des
Kaisers ein Großteil (wenn nicht Alles?) aus
dem Kriegspressequartier herauß geschmißen
wurde! – Auch wir haben davon abbekommen
und nun zeichnet so ein „Kriegsmann“ ab
8h Morgen bis 11h und von 3h–6h–7h
Abends! – Es entstehen 100 „Beobachter“ 500
||
„Schützengräben“ 50 „Abendhimmel“ u.s.w.
Man ist so geschickt im zeichnen daß man während
der Arbeit mit dem Bleistift jonglieren kann,
d. h. [das heißt] ich mach einen Wurf und der Stift muß zu-
gleich 3 Umdrehungen in der Luft machen! –
Das reine Apollotheater! – Ich stehe oft hinter
einer Traverse und lach mich krank! – „Jawol
Hauptmann – ausgezeichnete Arbeit – wunder-
bares Kolorit – herrliche Zeichnung – einzig –
unerreicht – das beste was ich noch sah auf diesem
Gebiete! – Einstweilen schön ich wies mich hebt
– gut daß so viele Traversen da sind – sie
geben nicht nur Schutz gegen Trommelfeuer! – Ja und
dabei bringt die österr.[eichische] Illustrierte noch Bitte von
Ihnen und bezahlt ihnen pro Stück 200 K. Es ist
keine Lüge! (Pfingst No. – Zeichner Hptm. [Hauptmann] Kaan
Albert.)
mein Komp. Kunst. Ich lieber Egon habe Blätter
genug die ich gerne ausstellen möchte! – Früher
mußte ich noch in Wien zeichnen aber wenn
ich beim Kader bin, August. – Wenn du
wirklich glaubst das ich ans Heeresmuseum
was verkaufen werde können, interessantes
||
ist genug dabei! – Vermittle mir die Ausstellung
bei Arnot, ich werde schon das Zeug zusammen-
bringen! – 50 Blätter bestimmt. – Momentan
brauche ich kein Material – habe was
ich brauche! – Ja also Ragusa wäre was!
Und Arbeit in südlicher Sonne! – Doch es ist
noch Krieg Egon – noch ist Krieg! –
Die Rußen die Engl.[änder] die Franzosen und
Italiener führen noch Krieg mit uns! –
Die Amerikaner beginnen erst! – Es ist
ja von Belang nicht wenn ich sage daß die
amerik.[anische] Bundesflagge mir immer mehr wie
eine Fleischerhose vorkommt und der
friedlichblaue Sternenhimmel etwas
unruhig werden kann! Meine persönliche
Ansicht – aber Amerika hatte noch keine
Revolution! – bedenke! – Kann daher
der Staat oder die Staaten gesund sein
im Gefüge? – Doch Schluß! Leb-
wohl – hoffe bald wieder von Dir zu hören! –
liebe Grüße – Handkuß deiner Frau dein A. P.
[Kuvert:]
Feldpostbrief
Herrn Egon Schiele
Wien XIII.
Hietzinger Hautpstraße
101.
||
Abs.[ender] Ant. Peschka I. R. [Infanterie Regiment] 42. 1 Baon. [Bataillon] 3. Komp.[anie]
Feldpost 405.
Lieber Egon.
Dein lieber Brief hat mich kolossal gefreut und auch
aufgerichtet! – Es sind so miserable Zustände in Allem
und Jedem da mich eckelt [!]! – Oft würde ich mich
glücklich schätzen wenn ich ein Maikäfer sein
könnte – mir wachsen die Nerven aus! –
Die Ruhe verdrießt mich noch mehr wie der Kampf.
Die Rußen sind impotent, wir auch also wa-
rum nicht Schluß machen? – Meinem letzten
Bericht an Dich habe ich absolut nichts beizufügen
es ist genauso wie vor 3 Monaten! – Dabei
aber wird man gelumpt und [s]chikaniert von den
Vorgesetzten! – Jetzt wagen sie sich täglich in
den Schützengraben und in der Reserve exerziert
man in ärgerer Weise als im Frieden! – Dagegen
hätt ich ja nichts – aber jeder Herr hat sein eigenes
Reglement und unsereiner muß daher anstatt
ein Reglement fünfe kennen je nachdem welche
Größe es ist die inspiziert! – Ich habs satt –
vollkommen satt! – So etwas ist eine erbärm-
liche Wirtschaft! – Man ist machtlos dagegen! –
Doch ich laße dieses um auf gescheiteres zu
kommen! – Die Kriegsausstellung ist im Pra-
||
ter nicht wahr – hoff auf 6 Tage Absentierung
nach Wien kommen zu können! – Schließlich muß
ich doch auch bald zum Kader wiederkommen und so
gesehen auf 20 [?] Tage nach Wien. Die Ausstellung
möcht ich sehen! Deine Mappe ist also er-
schienen nun aber ist es mir ein Bedürfnis sie
zurückzubekommen! – Mit Kriegsanleihezeichnen
und Nahrungsmitteleinkauf für meine Frau, ist
aber für Juni Geld weg! – Also werde erst Juli
die Bestellung machen können – haben muß
ich die Mappe – ist auch sehr billig! – Die
Idee für ein Mausoleum dein Bild zu verwenden
ist ganz hervorragend! – Ein Mosaik daraus
zu machen wäre wunderbar. – – – –
Du Glücklicher kannst die Sezession beschicken,
ich wünsche dir aufrichtig Glück dort! –
Es hat sich bewahrheitet das auf Befehl des
Kaisers ein Großteil (wenn nicht Alles?) aus
dem Kriegspressequartier herauß geschmißen
wurde! – Auch wir haben davon abbekommen
und nun zeichnet so ein „Kriegsmann“ ab
8h Morgen bis 11h und von 3h–6h–7h
Abends! – Es entstehen 100 „Beobachter“ 500
||
„Schützengräben“ 50 „Abendhimmel“ u.s.w.
Man ist so geschickt im zeichnen daß man während
der Arbeit mit dem Bleistift jonglieren kann,
d. h. [das heißt] ich mach einen Wurf und der Stift muß zu-
gleich 3 Umdrehungen in der Luft machen! –
Das reine Apollotheater! – Ich stehe oft hinter
einer Traverse und lach mich krank! – „Jawol
Hauptmann – ausgezeichnete Arbeit – wunder-
bares Kolorit – herrliche Zeichnung – einzig –
unerreicht – das beste was ich noch sah auf diesem
Gebiete! – Einstweilen schön ich wies mich hebt
– gut daß so viele Traversen da sind – sie
geben nicht nur Schutz gegen Trommelfeuer! – Ja und
dabei bringt die österr.[eichische] Illustrierte noch Bitte von
Ihnen und bezahlt ihnen pro Stück 200 K. Es ist
keine Lüge! (Pfingst No. – Zeichner Hptm. [Hauptmann] Kaan
Albert.)
mein Komp. Kunst. Ich lieber Egon habe Blätter
genug die ich gerne ausstellen möchte! – Früher
mußte ich noch in Wien zeichnen aber wenn
ich beim Kader bin, August. – Wenn du
wirklich glaubst das ich ans Heeresmuseum
was verkaufen werde können, interessantes
||
ist genug dabei! – Vermittle mir die Ausstellung
bei Arnot, ich werde schon das Zeug zusammen-
bringen! – 50 Blätter bestimmt. – Momentan
brauche ich kein Material – habe was
ich brauche! – Ja also Ragusa wäre was!
Und Arbeit in südlicher Sonne! – Doch es ist
noch Krieg Egon – noch ist Krieg! –
Die Rußen die Engl.[änder] die Franzosen und
Italiener führen noch Krieg mit uns! –
Die Amerikaner beginnen erst! – Es ist
ja von Belang nicht wenn ich sage daß die
amerik.[anische] Bundesflagge mir immer mehr wie
eine Fleischerhose vorkommt und der
friedlichblaue Sternenhimmel etwas
unruhig werden kann! Meine persönliche
Ansicht – aber Amerika hatte noch keine
Revolution! – bedenke! – Kann daher
der Staat oder die Staaten gesund sein
im Gefüge? – Doch Schluß! Leb-
wohl – hoffe bald wieder von Dir zu hören! –
liebe Grüße – Handkuß deiner Frau dein A. P.
[Kuvert:]
Feldpostbrief
Herrn Egon Schiele
Wien XIII.
Hietzinger Hautpstraße
101.
||
Abs.[ender] Ant. Peschka I. R. [Infanterie Regiment] 42. 1 Baon. [Bataillon] 3. Komp.[anie]
Feldpost 405.
Provenienz
Provenienz lt. Nebehay 1979:
[Privatsammlung] P. 53
[Privatsammlung] P. 53
Eigentümer*in
Autor*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Erwähnte Institution
Ausstellungen
(+-)
-
KriegsausstellungKaisergarten, k. u. k. Prater, Wien, 19.05.–21.10.1917
Bibliografie
(+-)
-
Lányi/Schiele 1917Zeichnungen. Egon Schiele 1917. Im Verlage der Buchhandlung Richard Lányi Wien, Wien 1917 [Lányi-Mappe]
PURL: https://www.egonschiele.at/1292