Brief von Heinrich Benesch an Egon Schiele
Albertina, Wien
ESDA ID
1281
Nebehay 1979
1202, nicht transkribiert/not transcribed
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 597 a (Kuvert), 597 b (Brief)
Ort
Wien
Datierung
08.05.1917 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
16,9 x 10,8 cm
9,1 x 11,2 cm (Kuvert)
9,1 x 11,2 cm (Kuvert)
Transkription
Wien, am 8. Mai 1917
Lieber Herr Schiele!
Für Ihren bei allem Ernste
so maßvoll gehaltenen Brief
danke ich Ihnen herzlich. Seien
Sie überzeugt, daß ich Ihnen
und Ihrer Kunst ein aufrich-
tiger Freund bin und nichts
sehnlicher wünsche, als es zu
bleiben. Wenn ich bei der
Unterredung mit Ihrer Frau [1]
etwas erregt war, so müssen
Sie es mir verzeihen und be-
rücksichtigen, daß ich derzeit
||
ein kranker Mann mit er-
schöpften Nerven bin. Vergessen
Sie nicht, daß ich meinen Freunden
gegenüber um so empfindlicher
bin, je mehr ich sie schätze. Wer
mir gleichgültig ist, kann mich
nicht kränken.
Ihr Anbot des Umtausches der
Grünwald-Zeichnung [2] nehme ich
dankbar an, aber nur unter
der Bedingung, daß Sie es
ohne Zwang tun. Wenn es
Ihnen unangenehm ist, will ich
auf den Umtausch gerne ver-
zichten.
Und noch eine Frage, lieber
||
Herr Schiele: könnte ich von den
von Goltz [3] zurückgekommenen
Blättern die auf dem Pakete
älterer Arbeiten obendrauf lie-
gende buntfarbige Zeichnung
aus dem Jahre 1911, die Ihnen
nicht, mir aber sehr gut gefällt,
bekommen, und zwar, soferne
es Ihren künstlerischen und son-
stigen Absichten nicht widerspricht,
zu jenem Preise, den Sie mir
damals gewährten? Ich werde
es zwar nicht übel nehmen, wenn
Sie „nein“ sagen und Ihre Gründe
in Hinkunft respektieren, ohne
danach zu fragen. Ich weiß, daß
||
Sie mir eine Bitte, wenn sie
leicht erfüllbar und bescheiden
ist, nicht absprechen werden. Tun
Sie es aber, so kann ich ruhig
annehmen, daß meine Bitte die
gegenteiligen Eigenschaften hatte.
Sie sollen in Hinkunft nicht
über mich zu klagen haben.
Helling [4] habe ich Ihre Bestäti-
gung übersendet und Hauers [5]
von der bevorstehenden Abholung
des Bildes [6] gegen Vorweis Ihrer
Karte und der Zahlungsbestä-
tigung verständigt.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr dankbarer
Benesch
P.S. Ihre Antwort hole ich mir Freitag mündlich.
[Kuvert:]
Herrn
Maler Egon Schiele
in
Wien, XIII.
Hietzinger Hauptstraße
Nr 101
||
Absender: Heinrich Benesch
Wien, X/2 Ghegaplatz 4, II/62
Lieber Herr Schiele!
Für Ihren bei allem Ernste
so maßvoll gehaltenen Brief
danke ich Ihnen herzlich. Seien
Sie überzeugt, daß ich Ihnen
und Ihrer Kunst ein aufrich-
tiger Freund bin und nichts
sehnlicher wünsche, als es zu
bleiben. Wenn ich bei der
Unterredung mit Ihrer Frau [1]
etwas erregt war, so müssen
Sie es mir verzeihen und be-
rücksichtigen, daß ich derzeit
||
ein kranker Mann mit er-
schöpften Nerven bin. Vergessen
Sie nicht, daß ich meinen Freunden
gegenüber um so empfindlicher
bin, je mehr ich sie schätze. Wer
mir gleichgültig ist, kann mich
nicht kränken.
Ihr Anbot des Umtausches der
Grünwald-Zeichnung [2] nehme ich
dankbar an, aber nur unter
der Bedingung, daß Sie es
ohne Zwang tun. Wenn es
Ihnen unangenehm ist, will ich
auf den Umtausch gerne ver-
zichten.
Und noch eine Frage, lieber
||
Herr Schiele: könnte ich von den
von Goltz [3] zurückgekommenen
Blättern die auf dem Pakete
älterer Arbeiten obendrauf lie-
gende buntfarbige Zeichnung
aus dem Jahre 1911, die Ihnen
nicht, mir aber sehr gut gefällt,
bekommen, und zwar, soferne
es Ihren künstlerischen und son-
stigen Absichten nicht widerspricht,
zu jenem Preise, den Sie mir
damals gewährten? Ich werde
es zwar nicht übel nehmen, wenn
Sie „nein“ sagen und Ihre Gründe
in Hinkunft respektieren, ohne
danach zu fragen. Ich weiß, daß
||
Sie mir eine Bitte, wenn sie
leicht erfüllbar und bescheiden
ist, nicht absprechen werden. Tun
Sie es aber, so kann ich ruhig
annehmen, daß meine Bitte die
gegenteiligen Eigenschaften hatte.
Sie sollen in Hinkunft nicht
über mich zu klagen haben.
Helling [4] habe ich Ihre Bestäti-
gung übersendet und Hauers [5]
von der bevorstehenden Abholung
des Bildes [6] gegen Vorweis Ihrer
Karte und der Zahlungsbestä-
tigung verständigt.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr dankbarer
Benesch
P.S. Ihre Antwort hole ich mir Freitag mündlich.
[Kuvert:]
Herrn
Maler Egon Schiele
in
Wien, XIII.
Hietzinger Hauptstraße
Nr 101
||
Absender: Heinrich Benesch
Wien, X/2 Ghegaplatz 4, II/62
Anmerkungen
[1] Edith Schiele, geb. Harms (1893–1918).
[2] Karl Grünwald, Kunst- und Antiquitätenhändler (1887–1964).
[3] Hans Goltz, Kunsthändler (1873–1927); Neue Kunst Hans Goltz.
[4] Ludwig Helling.
[5] Anna Hauer.
[6] Auferstehung (Gräber), 1913, K P251.
[2] Karl Grünwald, Kunst- und Antiquitätenhändler (1887–1964).
[3] Hans Goltz, Kunsthändler (1873–1927); Neue Kunst Hans Goltz.
[4] Ludwig Helling.
[5] Anna Hauer.
[6] Auferstehung (Gräber), 1913, K P251.
Provenienz
Max Wagner, Wien
1954: Albertina, Wien (Legat)
1954: Albertina, Wien (Legat)
Eigentümer*in
Autor*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Erwähnte Person
Erwähnte Institution
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
Verknüpfte Objekte
(+-)
PURL: https://www.egonschiele.at/1281