Brief von Paul Wengraf an Egon Schiele
Albertina, Wien
ESDA ID
1363
Nebehay 1979
1286, mit Abb., nicht vollst. transkribiert/with illustration, not fully transcribed
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 38
Ort
Wien
Datierung
19.10.1917 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
17,3 x 27,5 cm (Blatt)
Transkription
Wien 19. Oktober 1917.
Lieber Herr Schiele,
Nach langer Zeit wieder einmal die Stimme des „ewig
jammernden Juden“, die auch diesmal klagt und ruhlos ist. Ich
sehne mich nach dem Blatt, das doch hoffentlich schon aus Stock-
holm, der Stadt der Verheissungen und Enttäuschungen zurück
gekehrt ist und nun friedsam bei Ihnen ruht? Soweit ich es in
der Erinnerung habe, ist es die denkbar beste Darstellung
meines Inneren und Äußeren; die Hände an die Stirn gelegt,
der Beschauer kann mutmaßen, daß ich mir in peinlichster
Verlegenheit an den Kopf griff und nicht wußte, no[ch] ein
noch aus – und aus der Verlegenheit dieses zum Schicksal ge
wordenen Ungeschickes der Rede nach irgendwohin ausschaute.
So werde ich – wenn je – der Nachwelt erhalten bleiben.
Sie begreifen, daß ich begierig bin, mein Konterfei zu sehen
und werden mir die neue Belästigung verzeihen.
||
Ich erwarte recht bald Antwort von Ihnen, danke im voraus
bestens dafür
und bleibe
in gewohnter Hochschätzung
Ihr ergebener
Paul Wengraf
Wien. I. Maysederg. 5/II.
Lieber Herr Schiele,
Nach langer Zeit wieder einmal die Stimme des „ewig
jammernden Juden“, die auch diesmal klagt und ruhlos ist. Ich
sehne mich nach dem Blatt, das doch hoffentlich schon aus Stock-
holm, der Stadt der Verheissungen und Enttäuschungen zurück
gekehrt ist und nun friedsam bei Ihnen ruht? Soweit ich es in
der Erinnerung habe, ist es die denkbar beste Darstellung
meines Inneren und Äußeren; die Hände an die Stirn gelegt,
der Beschauer kann mutmaßen, daß ich mir in peinlichster
Verlegenheit an den Kopf griff und nicht wußte, no[ch] ein
noch aus – und aus der Verlegenheit dieses zum Schicksal ge
wordenen Ungeschickes der Rede nach irgendwohin ausschaute.
So werde ich – wenn je – der Nachwelt erhalten bleiben.
Sie begreifen, daß ich begierig bin, mein Konterfei zu sehen
und werden mir die neue Belästigung verzeihen.
||
Ich erwarte recht bald Antwort von Ihnen, danke im voraus
bestens dafür
und bleibe
in gewohnter Hochschätzung
Ihr ergebener
Paul Wengraf
Wien. I. Maysederg. 5/II.
Provenienz
Max Wagner, Wien
1954: Albertina, Wien (Legat)
1954: Albertina, Wien (Legat)
Eigentümer*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
Ausstellungen
(+-)
-
Österrikiska KonstutställningenLiljevalchs Konsthall, Stockholm, September 1917
PURL: https://www.egonschiele.at/1363