Brief von Egon Schiele an Franz Hauer
Albertina, Wien
ESDA ID
623
Nebehay 1979
516
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 117
Datierung
11.06.1913 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
22,5 x 17,5 cm
Transkription
11. Juni 1913.
Lieber Herr Hauer!
Ich will Ihnen heute einen Vorschlag machen
worinnen ich Ihnen bis an die letzte Grenze
wahr und recht entgegen kommen will.
– Gestern glaubte ich weil Sie nicht gekommen
sind daß Sie auf das große Bild [1] verzichtet haben;
das hätte mich allgemein enttäuscht. Gestern
hatte ich auch einen kleinen Kampf zu bestehen,
weil Herr Reininghaus das II. Steinerbild [2] das
er bei mir fertig sah unbedingt haben wollte;
ich erzählte aber daß ich es Ihnen schon versprochen
habe und da Sie zuerst sich darum bewarben
Ihnen das Recht zu dem zusteht; endlich, nach
2 Stunden brachte ich Herrn R. so weit daß
er einsah. – Hinzufügen will ich, daß ich von
Herrn R. wenigstens für dieses 500 K[ronen] bekommen
hätte. daraus müssen Sie ersehn wie wenig
ich habsüchtig bin. – Mit dem großen geht’s ebenso,
das schrieb ich Ihnen schon, auch gestern mehr.
– Auf unsere Angelegenheit zurückzukommen
bitte ich Sie folgende Preise von Bildern, ich
nenne ganz wenige, zu berücksichtigen.
„Herbstbaum“ 1912. 80cm x 80cm zahlte Herr
Waerndorfer [3] 600 K.
war im Hagenbund, [4] auch das nächste
„Winterbaum“ selbe Größe, Mauthner-Markhof [5] 600 K.
||
„Ein Porträt von [!] Jahre 1910 das ich übermalen
wollte [6] Herr Reininghaus 400 K
ebenso unsympathisch ein Bild 150 cm x 150 cm
eine Figur auf weißen [!] Grund [7] 1200 K.
in München und Wien noch andere um den Preis.
Dr. Reichel [8] gab bis 1912 Sommer für alle
Bilder bis höchstens 80 cm x 80 cm groß je 200 K
aus dem Grund weil ich momentan
geldlos war; stellt mir aber jedes von denen
für Ausstellungen und zum besseren Verkauf
jederzeit zur Verfügung.
einem Architekten der an der Wiener-Werkstätte
tätig ist, [9] ließ ich eben ein solches auch um 350 K
weil er wirklich nicht mehr hatte; d.[as] heißt wie
ich von Klimt [10] erfahren hatte dieses Geld
gewonnen hat.
Im Vorjahre zahlten Sie mir für weit kleinere
und lange nicht so gute Bilder wie die von
heute 3 Stück 900 K. – Unmöglich ist also
Ihr Anbieten, beim besten Willen erfüllen zu
können. Mir währe [!] es [durchgestr. Wort] seelisch peinlich
zu wissen daß ich meine Bilder zu deren Erreichung
ich Jahre arbeitete und kämpfte wegwerfen
würde. Bitte Herr Hauer, ich schreibe Ihnen
gleich so damit ich diese Empfindung los werde.
Verzeihen Sie! –
||
Vielleicht also gefällt Ihnen mein Vorschlag:
Das große Bild, das ich eigentlich gar
nicht zu verkaufen gedachte, sondern
weil ich das Gefühl haben könnte daß
dieses Bild gewürdigt in der Galerie
eines stark Kunstspürenden Menschen
aufgestellt ist, kostet für Sie also ganz
ausgenommen 1000 K. und wenn Ihnen
dies als Recht vorkommen würde, so
bleibt es mir gleichgiltig [!] ob Sie mir
diesen Betrag jetzt oder in zwei oder
drei Teilen senden, was mir noch
lieber ist.
Das kleine Steinbild [11] 300 K.
Zusammen wären dies 1300 K. und
ich glaube es wäre am besten, wenn
Sie mir jetzt 700 K senden würden
die Sie leicht entbehren können und
die übrigen 600 K im Juli, August und
September. Sie wissen ja, es machen’s
andere auch so, auch Mauthner v.[on] Markhof.
Wenn Sie also Herr Hauer mit meinen [!]
Vorschlag einverstanden wären, so würde
dies mich aufrichtig freuen, zu wissen
daß Sie vielleicht um zu erwerben
einiges opfern. – Ich ersuche Sie dringend
mir sofort darüber zu schreiben, jedenfalls
aber lassen Sie morgen Donnerstag das
Steinerbild holen 10–4h; ich kann nicht
garantieren.
||
Ich lege Ihnen an’s Herz das Bild
besitzen müßten; ich habe das
Gefühl daß es ein ganz bedeutendes
ist und ich niemals wieder ein so
ähnliches malen würde darum hätte
ich die doppelte Freude wenn es in
Wien bei Ihnen bliebe. Sie werden
erst darauf kommen, weil Sie Sich [!]
hineinleben müßten wenn Sie es
oft sehen – man opfert wenn man liebt.
Soll es so kommen so hielte ich es für notwendig
wenn ich bei der Ausstellung dieses mitsprechen
möchte.
Mit herzlichsten Grüßen
Egon Schiele.
Lieber Herr Hauer!
Ich will Ihnen heute einen Vorschlag machen
worinnen ich Ihnen bis an die letzte Grenze
wahr und recht entgegen kommen will.
– Gestern glaubte ich weil Sie nicht gekommen
sind daß Sie auf das große Bild [1] verzichtet haben;
das hätte mich allgemein enttäuscht. Gestern
hatte ich auch einen kleinen Kampf zu bestehen,
weil Herr Reininghaus das II. Steinerbild [2] das
er bei mir fertig sah unbedingt haben wollte;
ich erzählte aber daß ich es Ihnen schon versprochen
habe und da Sie zuerst sich darum bewarben
Ihnen das Recht zu dem zusteht; endlich, nach
2 Stunden brachte ich Herrn R. so weit daß
er einsah. – Hinzufügen will ich, daß ich von
Herrn R. wenigstens für dieses 500 K[ronen] bekommen
hätte. daraus müssen Sie ersehn wie wenig
ich habsüchtig bin. – Mit dem großen geht’s ebenso,
das schrieb ich Ihnen schon, auch gestern mehr.
– Auf unsere Angelegenheit zurückzukommen
bitte ich Sie folgende Preise von Bildern, ich
nenne ganz wenige, zu berücksichtigen.
„Herbstbaum“ 1912. 80cm x 80cm zahlte Herr
Waerndorfer [3] 600 K.
war im Hagenbund, [4] auch das nächste
„Winterbaum“ selbe Größe, Mauthner-Markhof [5] 600 K.
||
„Ein Porträt von [!] Jahre 1910 das ich übermalen
wollte [6] Herr Reininghaus 400 K
ebenso unsympathisch ein Bild 150 cm x 150 cm
eine Figur auf weißen [!] Grund [7] 1200 K.
in München und Wien noch andere um den Preis.
Dr. Reichel [8] gab bis 1912 Sommer für alle
Bilder bis höchstens 80 cm x 80 cm groß je 200 K
aus dem Grund weil ich momentan
geldlos war; stellt mir aber jedes von denen
für Ausstellungen und zum besseren Verkauf
jederzeit zur Verfügung.
einem Architekten der an der Wiener-Werkstätte
tätig ist, [9] ließ ich eben ein solches auch um 350 K
weil er wirklich nicht mehr hatte; d.[as] heißt wie
ich von Klimt [10] erfahren hatte dieses Geld
gewonnen hat.
Im Vorjahre zahlten Sie mir für weit kleinere
und lange nicht so gute Bilder wie die von
heute 3 Stück 900 K. – Unmöglich ist also
Ihr Anbieten, beim besten Willen erfüllen zu
können. Mir währe [!] es [durchgestr. Wort] seelisch peinlich
zu wissen daß ich meine Bilder zu deren Erreichung
ich Jahre arbeitete und kämpfte wegwerfen
würde. Bitte Herr Hauer, ich schreibe Ihnen
gleich so damit ich diese Empfindung los werde.
Verzeihen Sie! –
||
Vielleicht also gefällt Ihnen mein Vorschlag:
Das große Bild, das ich eigentlich gar
nicht zu verkaufen gedachte, sondern
weil ich das Gefühl haben könnte daß
dieses Bild gewürdigt in der Galerie
eines stark Kunstspürenden Menschen
aufgestellt ist, kostet für Sie also ganz
ausgenommen 1000 K. und wenn Ihnen
dies als Recht vorkommen würde, so
bleibt es mir gleichgiltig [!] ob Sie mir
diesen Betrag jetzt oder in zwei oder
drei Teilen senden, was mir noch
lieber ist.
Das kleine Steinbild [11] 300 K.
Zusammen wären dies 1300 K. und
ich glaube es wäre am besten, wenn
Sie mir jetzt 700 K senden würden
die Sie leicht entbehren können und
die übrigen 600 K im Juli, August und
September. Sie wissen ja, es machen’s
andere auch so, auch Mauthner v.[on] Markhof.
Wenn Sie also Herr Hauer mit meinen [!]
Vorschlag einverstanden wären, so würde
dies mich aufrichtig freuen, zu wissen
daß Sie vielleicht um zu erwerben
einiges opfern. – Ich ersuche Sie dringend
mir sofort darüber zu schreiben, jedenfalls
aber lassen Sie morgen Donnerstag das
Steinerbild holen 10–4h; ich kann nicht
garantieren.
||
Ich lege Ihnen an’s Herz das Bild
besitzen müßten; ich habe das
Gefühl daß es ein ganz bedeutendes
ist und ich niemals wieder ein so
ähnliches malen würde darum hätte
ich die doppelte Freude wenn es in
Wien bei Ihnen bliebe. Sie werden
erst darauf kommen, weil Sie Sich [!]
hineinleben müßten wenn Sie es
oft sehen – man opfert wenn man liebt.
Soll es so kommen so hielte ich es für notwendig
wenn ich bei der Ausstellung dieses mitsprechen
möchte.
Mit herzlichsten Grüßen
Egon Schiele.
Anmerkungen
[1] Auferstehung (Gräber), 1913, K P251.
[2] Carl Reininghaus, Industrieller (1857–1929). – Hauer erwarb die beiden Gemälde Stein an der Donau, vom Süden gesehen (groß), 1913, K P268 und Stein an der Donau, vom Kreuzberg aus gesehen (groß), 1913, K P269. Unklar, ob eines der beiden gemeint ist.
[3] Herbstsonne I (Sonnenaufgang), 1912, K P236; Fritz Waerndorfer, Unternehmer (1868–1939).
[4] Frühjahrsausstellung, Hagenbund, Wien, 23.03.–ca. 31.07.1912.
[5] Herbstbaum in bewegter Luft (Winterbaum), 1912, K P236; Magda Mautner von Markhof (1881–1944).
[6] Nicht identifiziert.
[7] Lt. Nebehay 1979 ist dies wahrscheinlich das im Brief vom 31.05.1913 (ESDA ID 615) von Reininghaus erwähnte „Porträt eines Künstlers auf weißem Grund“ (Bildnis des Malers Hans Massmann, 1909, K P149) wiewohl die Maße nicht stimmen. Jane Kallir identifiziert Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung) (1910, K P172) als das genannte Gemälde.
[8] Oskar Reichel, Internist (1869–1943).
[9] Hubert Jung, Architekt (1883–1971).
[10] Gustav Klimt (1862–1918).
[11] Eine der Ansichten der Kirche in Stein.
[2] Carl Reininghaus, Industrieller (1857–1929). – Hauer erwarb die beiden Gemälde Stein an der Donau, vom Süden gesehen (groß), 1913, K P268 und Stein an der Donau, vom Kreuzberg aus gesehen (groß), 1913, K P269. Unklar, ob eines der beiden gemeint ist.
[3] Herbstsonne I (Sonnenaufgang), 1912, K P236; Fritz Waerndorfer, Unternehmer (1868–1939).
[4] Frühjahrsausstellung, Hagenbund, Wien, 23.03.–ca. 31.07.1912.
[5] Herbstbaum in bewegter Luft (Winterbaum), 1912, K P236; Magda Mautner von Markhof (1881–1944).
[6] Nicht identifiziert.
[7] Lt. Nebehay 1979 ist dies wahrscheinlich das im Brief vom 31.05.1913 (ESDA ID 615) von Reininghaus erwähnte „Porträt eines Künstlers auf weißem Grund“ (Bildnis des Malers Hans Massmann, 1909, K P149) wiewohl die Maße nicht stimmen. Jane Kallir identifiziert Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung) (1910, K P172) als das genannte Gemälde.
[8] Oskar Reichel, Internist (1869–1943).
[9] Hubert Jung, Architekt (1883–1971).
[10] Gustav Klimt (1862–1918).
[11] Eine der Ansichten der Kirche in Stein.
Provenienz
Max Wagner, Wien
1954: Albertina, Wien (Legat)
1954: Albertina, Wien (Legat)
Eigentümer*in
Autor*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Erwähnte Institution
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
Verknüpfte Objekte
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Ausstellungen
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FrühjahrsausstellungHagenbund, Zedlitzhalle, Wien, 23.03.–ca. 31.07.1912
PURL: https://www.egonschiele.at/623