Brief von Egon Schiele an Wilhelm Wartmann
Kunsthaus Zürich
ESDA ID
3275
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Bestandsnachweis
Kunsthaus Zürich, Bibliothek, Inv. 10.30.30.163a.schiele.19170709
Ort
Wien
Datierung
09.07.1917 (eigenhändig)
Material/Technik
Tinte auf Papier
Transkription
[Stempel:] Ausstellung
[von anderer Hand:] Künstler
Wien am 9. Juli, 1917.
Sehr geehrter Herr Direktor Dr. Wattmann! [!]
Ich habe Ihre Postkarte erst gestern erhalten und beeile
mich nachstehend ein kurzes Programm für eine Ver-
anstaltung von einer internationalen Ausstellung
Neuer Kunst im Zürcher Kunsthaus vorzuschlagen.
Ich muß vorausschicken, daß ich 2 Jahre mili-
tärische Dienste in Wien leiste (aber nicht als „Kriegs-
maler“) und täglich ab 5 Uhr zu meiner eigenen
Arbeit kommen kann.
Ich hatte am Anfang dieses Jahres die Absicht
in Wien selbst mit einer Ausstellung Neuer Kunst [1]
zu beginnen; – es fehlte nicht an begeisterten
Mitarbeitern; – wir wollten vorerst Lokale mieten
und diese Räume kostenlos hervorragenden Künstlern
aus aller Welt für Ausstellungszwecke zur
Verfügung stellen, – wir wollten eine eigene
Galerie anlegen, ein Jahrbuch und wöchentliche Flug-
blätter herausgeben, – wir wollten im Rahmen der
bildenden Kunstausstellungen, Kammermusik- und
literarische Abende veranstalten. –
||
Vorderhand aber scheiterte unser Plan am meisten
an den rückschrittlichen Bewegungen Wiens. –
Ich halte diesen Boden auch zur Zeit für hoffnungs-
los und habe vorderhand die Lust, – Menschen
sehend zu machen, – aufgegeben. – Darum dachte
ich sofort an Zürich, und an eine internationale
Ausstellung Neuer Kunst.
° Die Züricher Kunstgesellschaft oder die maßgebende
Ausstellungskommission müßte alle neuen
Künstler und Künstlervereinigungen zu der
großzügigen Beteiligung einladen und die
vorhandenen und zugewiesenen Räumlichkeiten
° Dem einzelnen geladenen Künstler oder jeder
einzelnen geladenen Vereinigung sollen wo-
möglich ein oder mehrere Lokale zur freien
Verfügung gestellt werden, worin sie die Aus-
wahl und Anzahl der Kunstwerke (Placierung)
selbst bestimmen resp.[ektive] einen Vertreter nach
Zürich senden.
||
° Es bleibt Zürich überlassen welche Staaten, Künstler,
und Künstlervereinigungen eingeladen werden
sollen und den einzelnen geladenen Künstlern
und Künstlervereinigungen überlassen, unbekannte
Künstler namhaft zu machen und zur Ausstellung
vorzuschlagen.
° Die Transportkosten für einzelne geladen Künstler
sollte nach und von Zürich die Zürcher Kunst-
gesellschaft tragen, die Transportkosten für geladene
Künstlervereinigungen die betroffene Vereinigung
nach Zürich und den Rücktransport die Zürcher
Kunstgesellschaft.
° Die Verkaufsbestimmungen (Verkaufsprovision)
bliebe Zürich voll überlassen, ebenso ihre weiteren
Ausstellungsbedingungen.
° Welche Zeit und Dauer für eine derartige Ausstellung
für Zürich am günstigsten wäre, müßte Zürich
entscheiden.
||
Ferner würde ich vorschlagen Männer von allen
ausstellenden Staaten abwechselnd zu Vorträgen
über Neue Kunst nach Zürich einzuladen, –
ebenso sollte ein angemessenes Buch über die
I. internationale Ausstellung Neuer Kunst in
Zürich herausgegeben werden.
Dann die Reproduktion von Kunstwerken auf
Postkarten, – in der Ausstellung erhältlich, u.s.w.
Ich würde bereit sein die Österreichische
Kollektion zusammenzustellen und erhoffe,
daß Sie diesen Brief noch vor Ihrer nächsten
Sitzung haben werden, wonach ich die Meinung
und die weiteren Dispositionen der Kunstgesell-
schaft resp. Ausstellungskommission erwarte.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
EGON
SCHIELE
1917
[Vermerk des Empfängers:]
Vorstand empfehlend unterbreiten
empfiehlt
Z. K. G. [Zürcher Kunstgesellschaft] mit Benutzung Räume
Salon
[von anderer Hand:] Künstler
Wien am 9. Juli, 1917.
Sehr geehrter Herr Direktor Dr. Wattmann! [!]
Ich habe Ihre Postkarte erst gestern erhalten und beeile
mich nachstehend ein kurzes Programm für eine Ver-
anstaltung von einer internationalen Ausstellung
Neuer Kunst im Zürcher Kunsthaus vorzuschlagen.
Ich muß vorausschicken, daß ich 2 Jahre mili-
tärische Dienste in Wien leiste (aber nicht als „Kriegs-
maler“) und täglich ab 5 Uhr zu meiner eigenen
Arbeit kommen kann.
Ich hatte am Anfang dieses Jahres die Absicht
in Wien selbst mit einer Ausstellung Neuer Kunst [1]
zu beginnen; – es fehlte nicht an begeisterten
Mitarbeitern; – wir wollten vorerst Lokale mieten
und diese Räume kostenlos hervorragenden Künstlern
aus aller Welt für Ausstellungszwecke zur
Verfügung stellen, – wir wollten eine eigene
Galerie anlegen, ein Jahrbuch und wöchentliche Flug-
blätter herausgeben, – wir wollten im Rahmen der
bildenden Kunstausstellungen, Kammermusik- und
literarische Abende veranstalten. –
||
Vorderhand aber scheiterte unser Plan am meisten
an den rückschrittlichen Bewegungen Wiens. –
Ich halte diesen Boden auch zur Zeit für hoffnungs-
los und habe vorderhand die Lust, – Menschen
sehend zu machen, – aufgegeben. – Darum dachte
ich sofort an Zürich, und an eine internationale
Ausstellung Neuer Kunst.
° Die Züricher Kunstgesellschaft oder die maßgebende
Ausstellungskommission müßte alle neuen
Künstler und Künstlervereinigungen zu der
großzügigen Beteiligung einladen und die
vorhandenen und zugewiesenen Räumlichkeiten
° Dem einzelnen geladenen Künstler oder jeder
einzelnen geladenen Vereinigung sollen wo-
möglich ein oder mehrere Lokale zur freien
Verfügung gestellt werden, worin sie die Aus-
wahl und Anzahl der Kunstwerke (Placierung)
selbst bestimmen resp.[ektive] einen Vertreter nach
Zürich senden.
||
° Es bleibt Zürich überlassen welche Staaten, Künstler,
und Künstlervereinigungen eingeladen werden
sollen und den einzelnen geladenen Künstlern
und Künstlervereinigungen überlassen, unbekannte
Künstler namhaft zu machen und zur Ausstellung
vorzuschlagen.
° Die Transportkosten für einzelne geladen Künstler
sollte nach und von Zürich die Zürcher Kunst-
gesellschaft tragen, die Transportkosten für geladene
Künstlervereinigungen die betroffene Vereinigung
nach Zürich und den Rücktransport die Zürcher
Kunstgesellschaft.
° Die Verkaufsbestimmungen (Verkaufsprovision)
bliebe Zürich voll überlassen, ebenso ihre weiteren
Ausstellungsbedingungen.
° Welche Zeit und Dauer für eine derartige Ausstellung
für Zürich am günstigsten wäre, müßte Zürich
entscheiden.
||
Ferner würde ich vorschlagen Männer von allen
ausstellenden Staaten abwechselnd zu Vorträgen
über Neue Kunst nach Zürich einzuladen, –
ebenso sollte ein angemessenes Buch über die
I. internationale Ausstellung Neuer Kunst in
Zürich herausgegeben werden.
Dann die Reproduktion von Kunstwerken auf
Postkarten, – in der Ausstellung erhältlich, u.s.w.
Ich würde bereit sein die Österreichische
Kollektion zusammenzustellen und erhoffe,
daß Sie diesen Brief noch vor Ihrer nächsten
Sitzung haben werden, wonach ich die Meinung
und die weiteren Dispositionen der Kunstgesell-
schaft resp. Ausstellungskommission erwarte.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
EGON
SCHIELE
1917
[Vermerk des Empfängers:]
Vorstand empfehlend unterbreiten
empfiehlt
Z. K. G. [Zürcher Kunstgesellschaft] mit Benutzung Räume
Salon
Anmerkungen
[1] Nicht realisiert: Neue Kunst, Kunsthaus Zürich, 1917f.
Erfasst in
Wick 2014b: Abb. 37, als Transkript S. 117.
Eigentümer*in
Autor*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Erwähnte Institution
Abbildungsnachweis
Kunsthaus Zürich
Verknüpfte Objekte
(+-)
PURL: https://www.egonschiele.at/3275