Brief von Heinrich Benesch an Egon Schiele
Leopold Museum, Wien
ESDA ID
2897
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Bestandsnachweis
Leopold Museum, Wien, Inv. 7897
Ort
Wien
Datierung
02.04.1918 (eigenhändig)
Material/Technik
Tinte auf Papier
Maße
17 x 11 cm (Seite)
Transkription
Wien, am 2. April 1918.
Lieber Herr Schiele!
Nehmen Sie mirs nicht übel, wenn
ich in meiner Sammlerleidenschaft
wieder einmal eine kleine Frage
an Sie richte.
Bei meinem vor kurzem stattge-
habten Besuche in der Secession [1] war
eine schwarz-weiß Zeichnung von
Ihnen (liegender männlicher und
weiblicher Akt, vom weiblichen Akte
sieht man nur die Hüften und das
Haar) nicht verkauft. Es ist eine von
den ‚wilden‘, die ich leidenschaftlich
liebe.
Wenn diese Zeichnung tatsächlich
noch nicht verkauft ist;
||
wenn Sie sie niemand ande-
rem zugesagt haben;
wenn sie nicht beabsichtigen, sie
in eine andere Ausstellung zu
bringen;
wenn Sie sie nicht anderweitig
zu verwerten beabsichtigen;
wenn Sie überhaupt keine andere
Verwendung dafür haben;
wenn Sie es endlich nicht für unbe-
scheiden finden, daß ich heute schon
wieder als Bittender komme;
dann bitte ich Sie herzlichst, mich
durch den Besitz dieser Zeichnung
zu erfreuen.
Schreiben Sie mir ganz kurz auf
||
einer Karte, ob es sein kann.
Gründe für eine Ablehnung brauchen
Sie mir nicht zu sagen.
Ihre reichen künstlerischen und ma-
teriellen Erfolge in der Ausstellung
der Secession haben mich, als alten
Schätzer Ihrer Kunst, hocherfreut. Bei
Ihnen geht es ja rascher als bei O. K., [2]
der noch im Vertragsverhältnisse
steht, wogegen Sie ein frei schaffen-
der Künstler sind.
Sind Sie schon im Heeresmuseum?
wenn ja, dann werden Sie ja
Zeit haben, manchmal ins Kaffee-
haus zu kommen und dort möchte
ich Sie am liebsten sprechen, um Ihnen
nichts von Ihrer Arbeitszeit zu
rauben. Wenn Sie mir nun auch
||
mitteilen wollten, wann und
wo ich Sie im Kaffeehause treffen
könnte, würde ich Sie gerne dort
aufsuchen, um mit Ihnen unter
anderem auch über Ihre künst-
lerische Zukunft zu sprechen.
Ich bin jetzt so geschunden, daß
ich manchmal glaube, es nicht mehr
ertragen zu können. Da wäre es
mir nun einmal eine Erquickung,
mit Ihnen beisammen zu sein
u. zw. [und zwar] ohne die Besorgnis, Sie von
der Arbeit abzuhalten; also außer-
halb des Ateliers.
Mit herzlichen Grüßen an Sie und
Handküssen an Frau Gemahlin
Ihr
aufrichtig ergebener
Benesch
[Kuvert:]
Herrn
Maler Egon Schiele
in
Wien, XIII.
Hietzinger Hauptstraße
Nr 101
||
Absender: Heinrich Benesch
Wien, X/2 Ghegaplatz 4, II/62
Lieber Herr Schiele!
Nehmen Sie mirs nicht übel, wenn
ich in meiner Sammlerleidenschaft
wieder einmal eine kleine Frage
an Sie richte.
Bei meinem vor kurzem stattge-
habten Besuche in der Secession [1] war
eine schwarz-weiß Zeichnung von
Ihnen (liegender männlicher und
weiblicher Akt, vom weiblichen Akte
sieht man nur die Hüften und das
Haar) nicht verkauft. Es ist eine von
den ‚wilden‘, die ich leidenschaftlich
liebe.
Wenn diese Zeichnung tatsächlich
noch nicht verkauft ist;
||
wenn Sie sie niemand ande-
rem zugesagt haben;
wenn sie nicht beabsichtigen, sie
in eine andere Ausstellung zu
bringen;
wenn Sie sie nicht anderweitig
zu verwerten beabsichtigen;
wenn Sie überhaupt keine andere
Verwendung dafür haben;
wenn Sie es endlich nicht für unbe-
scheiden finden, daß ich heute schon
wieder als Bittender komme;
dann bitte ich Sie herzlichst, mich
durch den Besitz dieser Zeichnung
zu erfreuen.
Schreiben Sie mir ganz kurz auf
||
einer Karte, ob es sein kann.
Gründe für eine Ablehnung brauchen
Sie mir nicht zu sagen.
Ihre reichen künstlerischen und ma-
teriellen Erfolge in der Ausstellung
der Secession haben mich, als alten
Schätzer Ihrer Kunst, hocherfreut. Bei
Ihnen geht es ja rascher als bei O. K., [2]
der noch im Vertragsverhältnisse
steht, wogegen Sie ein frei schaffen-
der Künstler sind.
Sind Sie schon im Heeresmuseum?
wenn ja, dann werden Sie ja
Zeit haben, manchmal ins Kaffee-
haus zu kommen und dort möchte
ich Sie am liebsten sprechen, um Ihnen
nichts von Ihrer Arbeitszeit zu
rauben. Wenn Sie mir nun auch
||
mitteilen wollten, wann und
wo ich Sie im Kaffeehause treffen
könnte, würde ich Sie gerne dort
aufsuchen, um mit Ihnen unter
anderem auch über Ihre künst-
lerische Zukunft zu sprechen.
Ich bin jetzt so geschunden, daß
ich manchmal glaube, es nicht mehr
ertragen zu können. Da wäre es
mir nun einmal eine Erquickung,
mit Ihnen beisammen zu sein
u. zw. [und zwar] ohne die Besorgnis, Sie von
der Arbeit abzuhalten; also außer-
halb des Ateliers.
Mit herzlichen Grüßen an Sie und
Handküssen an Frau Gemahlin
Ihr
aufrichtig ergebener
Benesch
[Kuvert:]
Herrn
Maler Egon Schiele
in
Wien, XIII.
Hietzinger Hauptstraße
Nr 101
||
Absender: Heinrich Benesch
Wien, X/2 Ghegaplatz 4, II/62
Anmerkungen
[1] XLIX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, Wien, 01.03–01.04.1918.
[2] Oskar Kokoschka (1886–1980).
[2] Oskar Kokoschka (1886–1980).
Provenienz
Vor 2023: Privatsammlung
2023: Leopold Museum-Privatstiftung (Ankauf)
2023: Leopold Museum-Privatstiftung (Ankauf)
Eigentümer*in
Autor*in
Empfänger*in
Erwähnte Person
Erwähnte Institution
Abbildungsnachweis
Leopold Museum, Wien
Ausstellungen
(+-)
-
XLIX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs SecessionVereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, Wien, 01.03–01.04.1918
PURL: https://www.egonschiele.at/2897