Maschinenschriftlicher Brief von Arthur Roessler an Hans Goltz
Maschinenschriftlicher Brief von Arthur Roessler an Hans Goltz Bild 1
Albertina, Wien
ESDA ID
536
Nebehay 1979
419
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 782
Ort
Wien
Datierung
27.11.1912 (eigenhändig)
Material/Technik
Schreibmaschine auf Papier
Maße
29,2 x 22,2 cm
Transkription
XIX/1 Billrothstrasse 6
27. November 1912

Herrn Hans Goltz
Inhaber der Fa. [Firma] Ulrich Putze Nachfolger und „Neue Kunst“
München, Briennerstrasse 8


Sehr geehrter Herr Goltz –
Ende September schrieben Sie zu wiederholten Malen,
dass Sie in „Kürze auf 2 – 3 Tage nach Wien kommen“ wollten, was uns 100 Brie-
fe ersparen würde, aber bis heute kamen Sie nicht, so dass ich doch wieder zu
der altbewährten Turn- [!] & Taxischen Einrichtung der Briefpost Zuflucht nehmen
muss.
Dass Sie mit den „stärkeren der Wiener Künstler in engere Fühlung“ tret-
en wollen, ist ein gewiss kluger Entschluss, der jedoch nur dann Wert hat, wenn
er bald in die Tat umgesetzt wird. Sie werden sich jedenfalls bald dazu auf-
raffen müssen ihn zu verwirklichen, weil Ihnen sonst andere reichsdeutsche
Kunsthändler zuvorkommen. So war z.B. Herr Waldecker von der Fa. Gurlitt [1] in
Berlin bereits hier um „engere Fühlung“ zu nehmen. Er hat Schiele unter den
denkbar günstigsten Bedingungen eine grosse Kollektivausstellung in seinen
Berliner Sälen angetragen und sich auch sonst sehr um Sch. bemüht, ausserdem
auch noch nach anderen jungen Wienern Umschau gehalten. Sch. hat die Ausstel-
lung mit Gurlitt abgemacht. Ich kam vor den fertigen Fakt zu stehen. Bei den
anderen Malern, Faistauer u. Gütersloh [2] z.B. konnte ich anderweitige Abmachun-
gen vorläufig noch hintanhalten, weil ich stets darauf verwies, dass Sie „jeden
Tag“ hier eintreffen können. Wenn Sie die Angelegenheiten aber auch fürderhin
so „energisch“ wie bisher betreiben, kann ich Ihnen nur in Aussicht stellen,
dass Sie nicht nur keinen der wichtigen Jungwiener bekommen, sondern auch noch
Schiele verlieren werden, der ausser sich ist über die nachlässige Weise, in
der Sie seine Interessen vertreten. So sandten Sie z.B. an Arnold in Dresden [3]
die Bilder Schieles ohne Aviso und ungerahmt. Schiele findet, dass man dies
doch keine „Vertretung“ nennen kann, zumal ihm Gurlitt davon ganz andere Be-
griffe beibrachte. Seit 14 Monaten haben Sie von Schieles Arbeiten nicht ein
Stück verkauft! Nicht einmal irgend ein kleines Blatt – oder ihm doch wenig-
stens keinen Verkauf mitgeteilt oder verrechnet. Schiele sieht sich daher ge-
nötigt, einen Vertrag zu begehren, der ihm einen gewissen perzentuellen Verkauf
zusichert oder seine Arbeiten zurück zu ziehen, was er, um allen event.[uellen] Streit
zu entgehen, durch die österr.[eichisch]-ungar.[ische] Gesandtschaft in München tun würde. Bei
ruhiger Ueberlegung werden Sie Schieles Forderung nicht unbillig finden können.
Sie müssen sich vielmehr selber sagen, dass er mehr Verkaufschancen hätte, wenn
er über seine Arbeiten frei verfügen könnte. Sie binden ihn ohne ihm irgend
welchen Gegenwert dafür zu bieten, da Sie sich nicht einmal zu perzentuell
verhältnismässigem Verkauf verpflichten. Von mir jedoch verlangen Sie eine
„Garantie“ über einen „Absatz von einer gewissen Höhe“, wenn Sie Neukunst hier
herbringen oder schicken. Wie reimt sich das?
Bitte geben Sie bald Bescheid,
Ihrem hochachtungsvoll grüssenden
Arthur Roessler
Anmerkungen
[1] Willi Waldecker; Hofkunsthandlung & Kunstverlag Fritz Gurlitt, Berlin.
[2] Anton Faistauer (1887–1930); Albert Paris Gütersloh (1887–1973). Keiner der beiden hatte damals in Deutschland Erfolg, auch kam es zu keiner Ausstellung bei Gurlitt in Berlin.
[3] Galerie Ernst Arnold.
Motiv
Briefpapier: KUNSTSCHRIFTSTELLER ARTHUR ROESSER, WIEN
Eigentümer*in
Empfänger*in
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien

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