Maschinenschriftlicher Brief von Hans Goltz an Arthur Roessler
Albertina, Wien
ESDA ID
537
Nebehay 1979
420, nicht vollst. transkribiert/not fully transcribed
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 785 a–d
Ort
München
Datierung
29.11.1912 (eigenhändig)
Material/Technik
Schreibmaschine auf Papier
Maße
29 x 22,2 cm
Transkription
München, den 29.11.1912.
Herrn Arthur Rössler
Wien
Sehr geehrter Herr Rössler!
Ihr Brief hat mich in nicht geringes Staunen gesetzt. Ich schrieb Ihnen
schon am 9. XI. dass ich im November nicht nach Wien kommen kann und machte
Ihnen verschiedene Vorschläge, auf diesen Brief bin ich ohne Antwort ge-
blieben. [1] Dass Sie ihn erhalten haben müssen geht aber daraus hervor, dass
Sie auf eine Anfrage aus seinem Inhalt in Ihrem Schreiben bezug [!] nehmen.
Dadurch ist der erste Abschnitt Ihres Schreibens erledigt.
Wenn die anderen Wienerkünstler auf mich nicht war-
ten können, so tut mir dieses ausserordentlich leid. Ich kann meine geschäft-
lichen Massnahmen nicht von dem Wunsche der Wiener Künstler abhängig machen.
Anders liegt die Sache mit Herrn Schiele. Zunächst
müssen Sie mir gestatten meiner Verwunderung Ausdruck zu geben, dass Sie
heute als dessen Anwalt auftreten, nachdem Sie im Frühjahr des Jahres mir
ausdrücklich erklärt hatten, dass Sie seine Vertretung niederlegen. Warum
schreibt mir Herr Schiele von dem ich vorgestern einen Brief hatte, nicht
direkt über diese Angelegenheit. Wenn sie ihn aber wieder vertreten und mit
mir über ihn verhandeln, so kann dies nur auf der Basis ruhiger Sachlich-
keit geschehen. Ich lasse mich weder durch den Hinweis auf andere Kunsthändler
||
zu Entschlüssen drängen, noch gebe ich durch derartige Drohungen auch
nur ein Titelchen meines Rechtes auf. Alles was Sie über Schiele schrei-
ben, ist Satz für Satz unrichtig. Zunächst verbitte ich mir und mit aller
Entschiedenheit diese Form einer Reklamation.
Zur Sache selbst: Die Bilder Sch. sind so lange ich sie besitze
von einer Ausstellung in die andere gewandert. Nach der Ausstellung bei mir [2]
in den Sonderbund [3], von dort nach Hagen [4], Stuttgart [5] und Dresden [6]. Sie selbst
schrieben mir unterm 1. & 5. Okt.[ober] dass Gutbier [7] die Bilder angenommen hat
unterm 5. sogar die Bedingungen, daraus musste ich doch wohl schliessen,
dass sie die Verhandlung mit ihm geführt haben.
Dass Arnold kein Avis bekommen hätte ist natürlich Unsinn. Er hat
die Klischees und die Faktur über die Bilder am gleichen Tage der Absendung den 3.10.
erhalten. Wie kommen Sie dazu eine derartig „nachlässige Behauptung“ aufzu-
stellen. Dass Arnold mir erst kürzlich schrieb, er wüsste nicht was mit den
Schielebildern geschehen soll bestätigt nur, was ich auch aus dem heutigen
Brief ersehe, dass bei Ihnen eine merkwürdige Auffassung von dem herrscht,
was Sie glauben mir bieten zu können.
Die in Ihrem Schreiben vom 5.X. angekündigte Faktur, ist heute
noch nicht eingetroffen
||
Es ist jetzt das drittemal dass Bilder nach Deutschland verschickt
werden, ohne dass ich als Vertreter davon benachrichtigt werde.
Das tollste aber ist Ihre Behauptung, ich hätte seit
14 Monaten nichts abgesetzt. Ich habe bis jetzt an 800 Mark für Sch.
Blätter bezahlt, davon 300 an Sie, für 100 Mark habe ich von Sch. selbst
auf dessen heftiges Drängen, erst kürzlich für mein Lager erworben.
Ausserdem hat Osthaus doch nur durch meine Ausstellungen ein Bild ge-
kauft. [8] Derartig leichtfertige Behauptungen sind doch eigentlich uner-
hört. Aber das ist bezeichnend für die Treue der Künstler. Ich führe
einen in Deutschland gänzlich unbekannten jungen Mann unter erheblichen
Kosten und Opfern hier ein und mache seinen Namen bekannt. Nachdem dieses
geschehen, der Künstler eingeführt ist, wird unter den fadenscheinigsten
in diesem Falle sogar erdichteten Gründen, der Vorteil wo anders gesucht.
Ich hätte grosse Lust nach den Erprobungen Herrn Sch.
wirklich freizugeben, jedoch weiche ich keiner Drohung sondern bestehe
auf meinem Vertrag, bis ich ihn selbst löse,
Sie aber geehrter Herr Rössler, der Sie selbst münd-
lich und schriftlich die Unzuverlässigkeit Schieles in geschäftlichen
Dingen geklagt haben, hätten etwas vorsichtiger sein sollen, ehe Sie
einen solchen Brief schreiben.
||
Ich bitte mir jetzt mitzuteilen, ob Ihnen Anfang Dezember eine
Sendung neue Kunst genehm ist. Ich könnte Ihnen dann auch eine Anzahl
der Pechstein [9] schicken, welche zur Zeit bei mir ausgestellt sind
und das grösste Ansehen erregen. Wenn Sie die Fracht hin und zurück
zahlen, so will ich von einer Garantie absehen. Ich bitte Sie aber mir
auf meinem Katalog noch besondere Wünsche anzuführen.
Ich bedaure sehr gerade mit Ihnen einen derartigen
Briefwechsel führen zu müssen. Sie werden aber einsehen, dass Form
und Inhalt Ihres Briefes gänzlich verfehlt war.
Hochachtungsvoll grüssend
Hans Goltz
Herrn Arthur Rössler
Wien
Sehr geehrter Herr Rössler!
Ihr Brief hat mich in nicht geringes Staunen gesetzt. Ich schrieb Ihnen
schon am 9. XI. dass ich im November nicht nach Wien kommen kann und machte
Ihnen verschiedene Vorschläge, auf diesen Brief bin ich ohne Antwort ge-
blieben. [1] Dass Sie ihn erhalten haben müssen geht aber daraus hervor, dass
Sie auf eine Anfrage aus seinem Inhalt in Ihrem Schreiben bezug [!] nehmen.
Dadurch ist der erste Abschnitt Ihres Schreibens erledigt.
Wenn die anderen Wienerkünstler auf mich nicht war-
ten können, so tut mir dieses ausserordentlich leid. Ich kann meine geschäft-
lichen Massnahmen nicht von dem Wunsche der Wiener Künstler abhängig machen.
Anders liegt die Sache mit Herrn Schiele. Zunächst
müssen Sie mir gestatten meiner Verwunderung Ausdruck zu geben, dass Sie
heute als dessen Anwalt auftreten, nachdem Sie im Frühjahr des Jahres mir
ausdrücklich erklärt hatten, dass Sie seine Vertretung niederlegen. Warum
schreibt mir Herr Schiele von dem ich vorgestern einen Brief hatte, nicht
direkt über diese Angelegenheit. Wenn sie ihn aber wieder vertreten und mit
mir über ihn verhandeln, so kann dies nur auf der Basis ruhiger Sachlich-
keit geschehen. Ich lasse mich weder durch den Hinweis auf andere Kunsthändler
||
zu Entschlüssen drängen, noch gebe ich durch derartige Drohungen auch
nur ein Titelchen meines Rechtes auf. Alles was Sie über Schiele schrei-
ben, ist Satz für Satz unrichtig. Zunächst verbitte ich mir und mit aller
Entschiedenheit diese Form einer Reklamation.
Zur Sache selbst: Die Bilder Sch. sind so lange ich sie besitze
von einer Ausstellung in die andere gewandert. Nach der Ausstellung bei mir [2]
in den Sonderbund [3], von dort nach Hagen [4], Stuttgart [5] und Dresden [6]. Sie selbst
schrieben mir unterm 1. & 5. Okt.[ober] dass Gutbier [7] die Bilder angenommen hat
unterm 5. sogar die Bedingungen, daraus musste ich doch wohl schliessen,
dass sie die Verhandlung mit ihm geführt haben.
Dass Arnold kein Avis bekommen hätte ist natürlich Unsinn. Er hat
die Klischees und die Faktur über die Bilder am gleichen Tage der Absendung den 3.10.
erhalten. Wie kommen Sie dazu eine derartig „nachlässige Behauptung“ aufzu-
stellen. Dass Arnold mir erst kürzlich schrieb, er wüsste nicht was mit den
Schielebildern geschehen soll bestätigt nur, was ich auch aus dem heutigen
Brief ersehe, dass bei Ihnen eine merkwürdige Auffassung von dem herrscht,
was Sie glauben mir bieten zu können.
Die in Ihrem Schreiben vom 5.X. angekündigte Faktur, ist heute
noch nicht eingetroffen
||
Es ist jetzt das drittemal dass Bilder nach Deutschland verschickt
werden, ohne dass ich als Vertreter davon benachrichtigt werde.
Das tollste aber ist Ihre Behauptung, ich hätte seit
14 Monaten nichts abgesetzt. Ich habe bis jetzt an 800 Mark für Sch.
Blätter bezahlt, davon 300 an Sie, für 100 Mark habe ich von Sch. selbst
auf dessen heftiges Drängen, erst kürzlich für mein Lager erworben.
Ausserdem hat Osthaus doch nur durch meine Ausstellungen ein Bild ge-
kauft. [8] Derartig leichtfertige Behauptungen sind doch eigentlich uner-
hört. Aber das ist bezeichnend für die Treue der Künstler. Ich führe
einen in Deutschland gänzlich unbekannten jungen Mann unter erheblichen
Kosten und Opfern hier ein und mache seinen Namen bekannt. Nachdem dieses
geschehen, der Künstler eingeführt ist, wird unter den fadenscheinigsten
in diesem Falle sogar erdichteten Gründen, der Vorteil wo anders gesucht.
Ich hätte grosse Lust nach den Erprobungen Herrn Sch.
wirklich freizugeben, jedoch weiche ich keiner Drohung sondern bestehe
auf meinem Vertrag, bis ich ihn selbst löse,
Sie aber geehrter Herr Rössler, der Sie selbst münd-
lich und schriftlich die Unzuverlässigkeit Schieles in geschäftlichen
Dingen geklagt haben, hätten etwas vorsichtiger sein sollen, ehe Sie
einen solchen Brief schreiben.
||
Ich bitte mir jetzt mitzuteilen, ob Ihnen Anfang Dezember eine
Sendung neue Kunst genehm ist. Ich könnte Ihnen dann auch eine Anzahl
der Pechstein [9] schicken, welche zur Zeit bei mir ausgestellt sind
und das grösste Ansehen erregen. Wenn Sie die Fracht hin und zurück
zahlen, so will ich von einer Garantie absehen. Ich bitte Sie aber mir
auf meinem Katalog noch besondere Wünsche anzuführen.
Ich bedaure sehr gerade mit Ihnen einen derartigen
Briefwechsel führen zu müssen. Sie werden aber einsehen, dass Form
und Inhalt Ihres Briefes gänzlich verfehlt war.
Hochachtungsvoll grüssend
Hans Goltz
Anmerkungen
[1] ESDA ID 527.
[2] Egon Schiele Kollektivausstellung, Buch- und Kunsthandlung Ulrich Putze, München, 15.02.–15.03.1912
[3] Internationale Kunst-Ausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, Städtische Ausstellungshalle am Aachener Tor, Köln, 25.05.–30.09.1912.
[4] Im Folkwang Museum fanden 1912 zwei Ausstellungen mit Werken Schieles statt, allerdings vor und während der Kölner Ausstellung: Egon Schiele, Emile Zoir (11. April–ca. Mai 1912); Moderne Kunst: Plastik, Malerei, Graphik (Juni 1912).
[5] Ausstellung (nicht näher bezeichnet), Kunstsalon Rudolf Vollmar, Stuttgart, ca. Juni–August 1912.
[6] Ausstellung (nicht näher bezeichnet), Galerie Ernst Arnold, Dresden, Herbst/Winter 1912.
[7] Ludwig Wilhelm Gutbier, Kunsthändler (1873–1951), Inhaber der Galerie Ernst Arnold, Dresden.
[8] Karl Ernst Osthaus, Kunsthistoriker (1874–1921); Die kleine Stadt I (Tote Stadt VI), 1912, K P246.
[9] Max Pechstein (1881–1955). Es sei daran erinnert, dass Roessler eine Zeit Mitarbeiter der Galerie Miethke, Wien war. Für diese war das Anbot wohl bestimmt.
[2] Egon Schiele Kollektivausstellung, Buch- und Kunsthandlung Ulrich Putze, München, 15.02.–15.03.1912
[3] Internationale Kunst-Ausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler, Städtische Ausstellungshalle am Aachener Tor, Köln, 25.05.–30.09.1912.
[4] Im Folkwang Museum fanden 1912 zwei Ausstellungen mit Werken Schieles statt, allerdings vor und während der Kölner Ausstellung: Egon Schiele, Emile Zoir (11. April–ca. Mai 1912); Moderne Kunst: Plastik, Malerei, Graphik (Juni 1912).
[5] Ausstellung (nicht näher bezeichnet), Kunstsalon Rudolf Vollmar, Stuttgart, ca. Juni–August 1912.
[6] Ausstellung (nicht näher bezeichnet), Galerie Ernst Arnold, Dresden, Herbst/Winter 1912.
[7] Ludwig Wilhelm Gutbier, Kunsthändler (1873–1951), Inhaber der Galerie Ernst Arnold, Dresden.
[8] Karl Ernst Osthaus, Kunsthistoriker (1874–1921); Die kleine Stadt I (Tote Stadt VI), 1912, K P246.
[9] Max Pechstein (1881–1955). Es sei daran erinnert, dass Roessler eine Zeit Mitarbeiter der Galerie Miethke, Wien war. Für diese war das Anbot wohl bestimmt.
Motiv
Briefpapier: NEUE KUNST HANS GOLTZ
Eigentümer*in
Autor*in
Empfänger*in
Erwähnte Person
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
Verknüpfte Objekte
(+-)
Ausstellungen
(+-)
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Egon Schiele Kollektivausstellung [Titel unbekannt]Buch- und Kunsthandlung Ulrich Putze, München, 15.02.–15.03.1912
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Egon Schiele, Emile ZoirFolkwang Museum, Hagen, 11. April–ca. Mai 1912
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Internationale Kunst-Ausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und KünstlerStädtische Ausstellungshalle am Aachener Tor, Köln, 25.05.–30.09.1912
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Moderne Kunst: Plastik, Malerei, GraphikFolkwang Museum, Hagen, Juni 1912
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Ausstellung im Kunstsalon Rudolf Vollmar [Titel unbekannt]Kunstsalon Rudolf Vollmar, Stuttgart, ca. Juni–August 1912
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Ausstellung in der Galerie Ernst Arnold [Titel unbekannt]Galerie Ernst Arnold, Dresden, Herbst/Winter 1912
PURL: https://www.egonschiele.at/537