Brief von Arthur Roessler an Hans Goltz
Albertina, Wien
ESDA ID
435
Nebehay 1979
311, nicht vollst. transkribiert/not fully transcribed
Bestandsnachweis
Verbleib unbekannt
Ort
Wien
Datierung
20.01.1912 (eigenhändig)
Material/Technik
Tinte auf Papier
Transkription
Herrn HANS GOLTZ
Inhaber der Firma Ulrich Putze Nachfg. [Nachfolger]
München, Briennerstrasse Nr. 8
Sehr geehrter Herr Goltz – wie steht es eigentlich um die von Ihnen für Januar beabsichtigte Schiele-Ausstellung? Ich habe bisher, leider vergeblich, auf die Benachrichtigung gewartet, dass ich Ihnen zur Ergänzung der bei Ihnen befindlichen Arbeiten noch einige Bilder senden soll. Schiele hat mittlerweile von der Münchener Secession die Einladung erhalten, juryfrei drei Bilder zur Frühjahrs-Ausstellung zu schicken. [1] Er möchte begreiflicherweise dieser Einladung gerne Folge leisten, weiss jedoch nicht ob er das tun kann, da er über Ihre Absichten nichts weiss. Eine Gruppe junger Wiener Künstler, die gegenwärtig im Budapester Künstlerhaus („Müvesz-Hèz") ausstellt, räumte Schiele einen ganzen Saal ein. [2] Der „Pester Lloyd" vom 4.I.1912 veröffentlichte ein 7 Spalten langen Feuilleton über die genannte Ausstellung, in dem Schiele’s Bedeutung gewürdigt wird. [3] Wie ernst die Veranstaltung, an der Schiele durch 7 Gemälde und 25 Zeichnungen und Aquarelle beteiligt ist, von offizieller Seite genommen wird, geht aus einer Notiz der „Zeit" hervor, die berichtet, dass in Vertretung des Kultusministers der Staatssekretär Viktor Molnar die Ausstellung der Wiener in Budapest feierlich eröffnete. [4] Am dritten Tage nach der Eröffnung waren bereits 8 Bilder verkauft, darunter eines von Schiele. [5] Dieser Umstand ist nun deutschen Kunsthändlern bekannt geworden und hat zwei veranlasst an Schiele mit Anträgen heranzutreten; Schiele hat vorderhand diese Anträge mit Rücksicht auf die zwischen uns gepflogenen pour parlers abgelehnt, möchte aber nunmehr von Ihnen hören, was Sie zunächst im gemeinsamen Interesse mit seinen bei Ihnen befindlichen Arbeiten beginnen wollen. Vor allem interessiert es ihn zu erfahren, ob Sie verkauft haben. Wenn ja, dann Sind Sie höflichst gebeten den Kaufschilling nach Abzug Ihrer Provision an meine Adresse zu senden. Für die kleinen auf Holz gemalten Bilder von E. S., die bei Ihnen sind, hat sich hier ein Käufer gemeldet, ich möchte Sie daher ersuchen 3 der Holztafeln in einem Postkistchen mir zu senden, falls Sie sie noch nicht verkauft oder zur Ausstellung gebracht haben.
Ihren geschätzten Aeusserungen mit Interessen entgegensehend, zeichne ich hochachtungsvoll grüssend:
20. Januar 1912
XIX/1 Billrothstrasse 6
Inhaber der Firma Ulrich Putze Nachfg. [Nachfolger]
München, Briennerstrasse Nr. 8
Sehr geehrter Herr Goltz – wie steht es eigentlich um die von Ihnen für Januar beabsichtigte Schiele-Ausstellung? Ich habe bisher, leider vergeblich, auf die Benachrichtigung gewartet, dass ich Ihnen zur Ergänzung der bei Ihnen befindlichen Arbeiten noch einige Bilder senden soll. Schiele hat mittlerweile von der Münchener Secession die Einladung erhalten, juryfrei drei Bilder zur Frühjahrs-Ausstellung zu schicken. [1] Er möchte begreiflicherweise dieser Einladung gerne Folge leisten, weiss jedoch nicht ob er das tun kann, da er über Ihre Absichten nichts weiss. Eine Gruppe junger Wiener Künstler, die gegenwärtig im Budapester Künstlerhaus („Müvesz-Hèz") ausstellt, räumte Schiele einen ganzen Saal ein. [2] Der „Pester Lloyd" vom 4.I.1912 veröffentlichte ein 7 Spalten langen Feuilleton über die genannte Ausstellung, in dem Schiele’s Bedeutung gewürdigt wird. [3] Wie ernst die Veranstaltung, an der Schiele durch 7 Gemälde und 25 Zeichnungen und Aquarelle beteiligt ist, von offizieller Seite genommen wird, geht aus einer Notiz der „Zeit" hervor, die berichtet, dass in Vertretung des Kultusministers der Staatssekretär Viktor Molnar die Ausstellung der Wiener in Budapest feierlich eröffnete. [4] Am dritten Tage nach der Eröffnung waren bereits 8 Bilder verkauft, darunter eines von Schiele. [5] Dieser Umstand ist nun deutschen Kunsthändlern bekannt geworden und hat zwei veranlasst an Schiele mit Anträgen heranzutreten; Schiele hat vorderhand diese Anträge mit Rücksicht auf die zwischen uns gepflogenen pour parlers abgelehnt, möchte aber nunmehr von Ihnen hören, was Sie zunächst im gemeinsamen Interesse mit seinen bei Ihnen befindlichen Arbeiten beginnen wollen. Vor allem interessiert es ihn zu erfahren, ob Sie verkauft haben. Wenn ja, dann Sind Sie höflichst gebeten den Kaufschilling nach Abzug Ihrer Provision an meine Adresse zu senden. Für die kleinen auf Holz gemalten Bilder von E. S., die bei Ihnen sind, hat sich hier ein Käufer gemeldet, ich möchte Sie daher ersuchen 3 der Holztafeln in einem Postkistchen mir zu senden, falls Sie sie noch nicht verkauft oder zur Ausstellung gebracht haben.
Ihren geschätzten Aeusserungen mit Interessen entgegensehend, zeichne ich hochachtungsvoll grüssend:
20. Januar 1912
XIX/1 Billrothstrasse 6
Anmerkungen
[1] Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession, Verein bildender Künstler Münchens, 02.03.–20.04.1912.
[2] A Neukunst Wien 1912. Vendégművészeinek Kiállítása, Művészház, Budapest, 06.–28.01.1912.
[3] Albert Paris Gütersloh: „Feuilleton. ‚Neukunst.‘“, in: Pester Lloyd (Morgenblatt), 04.01.1912, S. 1–3.
[4] N. N.: „Eröffnung der ‚Neukunst‘.-Ausstellung in Budapest“, in: Die Zeit, 08.01.1912, S. 3.
[5] Die Nachricht war verfrüht. Das Gemälde Offenbarung, 1911, K P203 wurde schließlich nicht verkauft. Roessler, damals in der Galerie Miethke, Wien, tätig, war – selbstlos – Schieles geschäftlicher Berater und Vertreter. Die Verbindung zu Hans Goltz hatte er angebahnt. Siehe ESDA ID 320.
[2] A Neukunst Wien 1912. Vendégművészeinek Kiállítása, Művészház, Budapest, 06.–28.01.1912.
[3] Albert Paris Gütersloh: „Feuilleton. ‚Neukunst.‘“, in: Pester Lloyd (Morgenblatt), 04.01.1912, S. 1–3.
[4] N. N.: „Eröffnung der ‚Neukunst‘.-Ausstellung in Budapest“, in: Die Zeit, 08.01.1912, S. 3.
[5] Die Nachricht war verfrüht. Das Gemälde Offenbarung, 1911, K P203 wurde schließlich nicht verkauft. Roessler, damals in der Galerie Miethke, Wien, tätig, war – selbstlos – Schieles geschäftlicher Berater und Vertreter. Die Verbindung zu Hans Goltz hatte er angebahnt. Siehe ESDA ID 320.
Erfasst in
Abschrift: Albertina, Wien, ESA 765
Autor*in
Empfänger*in
Erwähnte Person
Erwähnte Institution
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
Verknüpfte Objekte
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Ausstellungen
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A Neukunst Wien 1912. Vendégművészeinek KiállításaMűvészház, Budapest, 06.–28.01.1912
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Frühjahr-Ausstellung der Münchener SecessionVerein bildender Künstler Münchens, München, 02.03.–20.04.1912
Bibliografie
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Gütersloh 1912Albert Paris Gütersloh: „Feuilleton. ‚Neukunst.‘“, in: Pester Lloyd (Morgenblatt), 04.01.1912, S. 1–3
PURL: https://www.egonschiele.at/435