Manifest der Neukunstgruppe – Variante 1
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Albertina, Wien
ESDA ID
231
Nebehay 1979
93
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 1030 a–d
Datierung
06.1909 (inhaltlich)
Material/Technik
Bleistift auf Papier
Maße
23 x 15,7 cm (Seite)
Transkription
Wir sind. Und sind nicht alle (der jetzigen Aussteller
bei Pisko [1]) in diese Zeit berufen? Wie alle, sind
vor Allem Zeitenmenschen d. h. [das heißt] solche die den Weg
zumindest in unsere gegenwärtige
Zeit gefunden haben. Viele von uns sind
Künstler, ich meine unter
Künstler nicht den Mensch mit Titel oder
Eigenschaft sondern den Berufenen.
Kunst bleibt immer gleich dasselbe: Kunst.
Deshalb gibt es keine Neukunst. Es gibt
Neukünstler. Schon die Studie des Neukünstlers
ist immer ein Kunstwerk, diese ist ein
Stück von ihm selbst, das lebt.
Es gibt stärkere und schwächere Künstler-
individualitäten Berufene.
Wenig Neukünstler gibt es aber, ganz
wenig. Der Neukünstler ist und muß
unbedingt selbst sein er muß Schöpfer sein
er muß unvermittelt ohne all das
Vergangene und Hergebrachte zu benützen
ganz allein den Grund bauen können.
Dann ist er Neukünstler.
||
Sei jeder Einzelne von uns – selbst. Dann
könnte eventuell der Name unser [!],
Neukünstlergruppe heißen.
Derjenige der so in Betracht kommen mag
muß das volle Bewußtsein haben, selbst
allein existieren zu können und
der Zukunft wenigstens ein Gewisses
zu vertrauen zu können.
Es gibt gewiß noch manche Neukünstler, die
auf sich selbst bauen und allein
schaffen können.
Rezept ist ihr Gegensatz.
Alle Neukünstler aber schaffen eigentlich
wieder nur ganz allein für sich
selbst und bilden alles was sie
wollen. Sie bilden, sie porträtieren
alles. Die Mitmenschen fühlen
ihre Erlebnisse nach, heute in
Ausstellungen. Die Ausstellung
ist heute unentbehrlich.
Eine Epoche zeigt der Künstler ein
Stück seines Lebens. Und immer
||
durch ein großes Erlebnis im Sein
der Künstlerindividualität beginnt
eine neue Epoche die kurz oder
länger dauert je nach den [!] zurück-
gebliebenen Eindruck der mehr
oder mehr [!] Gewicht hat. Und nach dem
der Künstler sein Erlebnis
voll und vollkommen
gebildet hat, dann ist vielleicht
eine Ausstellung nötig.


[Kuvert:]
Einen etwas geänderten Auszug aus diesem 1909 geschriebenen Aufsatz veröffent-
lichte E. Sch. im Jahre 1914 unter dem Titel „Die Kunst – Der Neukünstler“
in der Zeitschrift „Die Aktion“ Heft 20 Der Aufsatz dort schliesst mit den
Worten des Gedichtes „Künstler“.
Anmerkungen
[1] Neukunstgruppe, Galerie Pisko, Wien, 01.12.–31.12.1909.
Erfasst in
Pfemfert 1914, 4/20, S. 428; Roessler 1921, S. 17/18; Hist. Museum der Stadt Wien 1968, S. 59; Werth 2006, S. 384; Hist. Museum der Stadt Wien 1990, Nr. 5.1
Eigentümer*in
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien

Verknüpfte Objekte

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Ausstellungen

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Bibliografie

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  • Schiele 1914b
    Egon Schiele: „Die Kunst – der Neukünstler“, in: Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst, Jg. 4, Nr. 20, 16.05.1914, Sp. 428
PURL: https://www.egonschiele.at/231