Maschinenschriftlicher Brief von Egon Schiele an Anton Peschka
Maschinenschriftlicher Brief von Egon Schiele an Anton Peschka Bild 1
Maschinenschriftlicher Brief von Egon Schiele an Anton Peschka Bild 2
Leopold Museum, Wien
ESDA ID
148
Nebehay 1979
1084
Bestandsnachweis
Leopold Museum, Wien, Inv. 4504
Ort
Mühling bei Wieselburg
Datierung
08.08.1916 (eigenhändig)
Material/Technik
Schreibmaschine, roter Buntstift auf Papier
Maße
20,8 x 17 cm (Seite)
Transkription
Mühling, am 8. August 1916.

Lieber Anton Peschka! – Du sandtest für mich ein altes Buch
Edith [1] wollte es holen. – Gerti [2] zeigte einige von Dir gesandte
Bücher u. dgl. [und dergleichen] – darunter auch das für mich bestimmte Buch. –
Anstatt dass Gerti das Buch gab verräumte sie alles. –
Mehr weiss ich nicht.
Ein andermal kam Edith, – Gerti zeigte den Rücken, – mehr
weiss ich nicht.
Auch ich kam öfters mit Edith, – doch Gerti war im Nebenzi-
mer ohne zu uns zu kommen, – mehr weiss ich nicht.
Gerti sprach böse hinter mir und Edith, – warum weiss ich
nicht.
Unter den zivilisierten Völkern sagt man dass solche Leute
nicht erzogen sind und daher kein Taktgefühl kennen; – demnach
scheint es so.
Wenn man aber hinter jemanden schlecht spricht, so steht
man im Fortschritt dort, wo meine Grossmutter ist.
Gerti ist unreif, mehr will ich nicht sagen.
Wenn sie zur Einsicht kommen wird, wird sie fortschreiten, –
sie soll einsehen wie sie irrt, – sie soll sich bei Edith
entschuldigen, – dies kann man auch ohne dass man sich er-
niedrigt, – sie ginge sonst an ihrem Hochmut zugrunde. –
Geschieht dies nicht, so wird uns Gerti nicht abgehen.

Gegen Dich habe ich nach wie vor nichts, ausser, dass Du mich
in Wien nicht besuchtest als Du den ersten Urlaub hattest.
Wenn Du Dich rechtfertigen kannst, so wollen wir Freunde
sein wie einstens; findest Du es aber für belanglos so würde
ich es für nicht notwendig halten weitere Annäherungsversuche
anzustreben um in einiger Zeit wieder in Auseinandersetzun-
gen zu verfallen. – In der Hoffnung auf ein Entweder – Oder!

Beste Grüsse!

EGON
SCHIELE
1916

[Kuvert:]
Herrn
Fähnrich i.d.R.
Anton Peschka
I.[nfanterie] Reg.[iment] 42, Ers.-Komp. [Ersatz-Kompanie]
LOBOSITZ i.[n] Böhm.[en]
Hotel Germania.
Anmerkungen
[1] Gertrude Peschka, geb. Schiele (1894–1981).
[2] Edith Schiele, geb. Harms (1893–1918).
Provenienz
Privatbesitz, Wien
1994: Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (Stiftung)

Provenienz lt. Nebehay 1979: Verbleib unbekannt, als Quelle wird Roessler 1921, S. 113-114 angegeben.
Erfasst in
Roessler 1921, S. 113/114
Eigentümer*in
Empfänger*in
Abbildungsnachweis
Leopold Museum, Wien
PURL: https://www.egonschiele.at/148