Brief von Egon Schiele an Margarete Partonek
Leopold Museum, Wien
ESDA ID
1891
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Bestandsnachweis
Leopold Museum, Wien, Inv. 5364
Datierung
03.1906 (inhaltlich)
Material/Technik
Schwarze Tinte, Aquarell auf Papier
Maße
17,2 x 11 cm (Seite)
Transkription
LIEBSTES FRÄULEIN…
Mein neues „Drüben“
verdirbt mir meine ganze
Aussicht. Früher konnte ich Sie
wenigstens hinter einem
grünen Versteck sehen, doch
jetzt ist dieses Dach am Fenster
zu kurz.
Warum schreiben Sie
nichts mehr so wie vor eini-
gen Wochen? Wenn solcherlei
Sachen bis jetzt noch niemand
außer den Nächsten in unserer
Umgebung weiß, glaube ich
wird es niemand, am we-
nigsten bei Ihnen in der
Schule erfahren; vorausge-
setzt daß Sie selbst nichts
weiter Ihren Freundinnen
& Kolleginnen sagen oder
vorlesen. Sie haben mir erst
drei Schreiben durch Ihren
Bruder [1] geschickt, die bei mir
gut aufgehoben sind, während
ich Ihnen deren schon mehrere
zukommen lassen haben [!].
Würden Sie vielleicht wirk-
lich nicht schreiben können,
aus Gründen die Sie mir
nicht sagen wollen, so gibt
||
es noch ein Zweites, bei dem ich an Ihrer
Stelle keine Ausrede finden würde.
Sie gehen abends oft auf der
Gasse mit Fräulein Hermine [2], könnten
Sie nicht zumindest den Weg in eine
andere Gasse einschlagen? Es kommt
nur an Ihren Willen an den Sie
leicht bezwingen können; dann
möchten Sie Ihre Worte erfüllen,
die Sie mir so deutlich schrieben.
Wie oft gehen Sie in die Obere Stadt,
wie z. B. am Montag, da könnten
Sie doch diesen vorhergenannten
Weg beim hin oder Retourgehen
benützen.
Wenn ich auch jetzt vielleicht Un-
angenehmes schrieb, so bitte ich um
Verzeihung, denn aus vielen werden
Sie sehen, daß ich so schreibe wie
ich denke. Würden Sie mir Ver-
zeihung nicht gewähren, so bitte
ich dieses zurückzusenden.
Hoffentlich aber werden Sie
von meinen Ratschlüssen aus-
wählen, so daß nicht der schönste
Monat ohne Ausnützung ver-
fließt.
Sie sind jeden Sonntag fort
am 22. waren Sie in Hadersfeld,
wo waren Sie am letzten Sonntag?
Umsonst werden Sie nicht Ausflüge
machen. Es grüßt Sie herzlichst Ihr ES
Mein neues „Drüben“
verdirbt mir meine ganze
Aussicht. Früher konnte ich Sie
wenigstens hinter einem
grünen Versteck sehen, doch
jetzt ist dieses Dach am Fenster
zu kurz.
Warum schreiben Sie
nichts mehr so wie vor eini-
gen Wochen? Wenn solcherlei
Sachen bis jetzt noch niemand
außer den Nächsten in unserer
Umgebung weiß, glaube ich
wird es niemand, am we-
nigsten bei Ihnen in der
Schule erfahren; vorausge-
setzt daß Sie selbst nichts
weiter Ihren Freundinnen
& Kolleginnen sagen oder
vorlesen. Sie haben mir erst
drei Schreiben durch Ihren
Bruder [1] geschickt, die bei mir
gut aufgehoben sind, während
ich Ihnen deren schon mehrere
zukommen lassen haben [!].
Würden Sie vielleicht wirk-
lich nicht schreiben können,
aus Gründen die Sie mir
nicht sagen wollen, so gibt
||
es noch ein Zweites, bei dem ich an Ihrer
Stelle keine Ausrede finden würde.
Sie gehen abends oft auf der
Gasse mit Fräulein Hermine [2], könnten
Sie nicht zumindest den Weg in eine
andere Gasse einschlagen? Es kommt
nur an Ihren Willen an den Sie
leicht bezwingen können; dann
möchten Sie Ihre Worte erfüllen,
die Sie mir so deutlich schrieben.
Wie oft gehen Sie in die Obere Stadt,
wie z. B. am Montag, da könnten
Sie doch diesen vorhergenannten
Weg beim hin oder Retourgehen
benützen.
Wenn ich auch jetzt vielleicht Un-
angenehmes schrieb, so bitte ich um
Verzeihung, denn aus vielen werden
Sie sehen, daß ich so schreibe wie
ich denke. Würden Sie mir Ver-
zeihung nicht gewähren, so bitte
ich dieses zurückzusenden.
Hoffentlich aber werden Sie
von meinen Ratschlüssen aus-
wählen, so daß nicht der schönste
Monat ohne Ausnützung ver-
fließt.
Sie sind jeden Sonntag fort
am 22. waren Sie in Hadersfeld,
wo waren Sie am letzten Sonntag?
Umsonst werden Sie nicht Ausflüge
machen. Es grüßt Sie herzlichst Ihr ES
Anmerkungen
[1] Nicht identifiziert.
[2] Hermine B.: Freundeskreis in Klosterneuburg.
[2] Hermine B.: Freundeskreis in Klosterneuburg.
Provenienz
Gretel Partonek, Neu-Ofen
Familie Partonek, Salnau
1959: Dorotheum, Wien, Aukt. 12.02.1959, Lot 318
2007: Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (Ankauf Galerie Hassfurther, Wien, Aukt. 29.11.2007, Kat. 24, S. 46-47)
Familie Partonek, Salnau
1959: Dorotheum, Wien, Aukt. 12.02.1959, Lot 318
2007: Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (Ankauf Galerie Hassfurther, Wien, Aukt. 29.11.2007, Kat. 24, S. 46-47)
Eigentümer*in
Autor*in
Unterzeichner*in
Empfänger*in
Abbildungsnachweis
Leopold Museum, Wien
PURL: https://www.egonschiele.at/1891