Typewritten letter from Hans Goltz to Egon Schiele
ESDA ID
594
Nebehay 1979
484
Credit line
Albertina, Vienna, Inv. ESA 1029
Place
Munich
Date
1st April 1913 (handwritten)
Material/technique
Typewriter on paper
Transcription
München, den 1. April 13.
Herrn Egon Schiele
Wien
Lieber Herr Schiele,
Ich bestätige Ihnen 2 neue Bilder und 20 Zeichnungen
erhalten zu haben. Aber Herr Schiele, so sehr ich mich stets über
Ihre Zeichnungen freue und auch bei den bizarrsten Launen gerne mitge-
he, wer soll die Bilder kaufen? Ich habe da sehr wenig Hoffnung.
Sie dürfen mir nicht verübeln, wenn ich, der ich doch gerne allen Künst-
lern der neuen Richtung gefolgt bin, und dessen Verstehen wohl man-
chem ein wenig erleichtert habe, Ihnen gegenüber mein Bedenken aus-
spreche. Was noch vor einem Jahr, ja noch vor einem halben Jahr uns
ausserordentlich stark und deshalb, aber auch nur deshalb zukunfts-
reich erschien, das darf nicht in der Form erstarren. Es war ein Weg
um aus dem wässerig gewordenen Impressionismus herauszukommen. Dieser
Weg ist aber kein Ziel, das schon erreicht ist. Die „Ismen", die als
Wege und als Zerstörung ausserordentlich notwendig waren, müssen sich
nun allmählich abklaren zu ruhiger kraftvoller Kunst. Sonst kann der
Kunsthändler bei allem persönlichen Verständnis nichts mehr ausrich-
||
ten und muss nun mit schwerem Herzen auf weniger starke, aber dafür
wenigstens lesbare Künstler zurückgreifen. Ich will mit diesen Worten
keinen ermahnenden Papa spielen, ich will Sie nur vorbereiten auf ei-
nen gänzlich finanziellen Misserfolg, den Ihre Bilder auf ihrer jetzi-
gen Stufe sowohl als auch die der anderen erleiden müssen. Auch der
wohlwollende und verständnisvolle Teil des Publikums beginnt ungedul-
dig zu werden und hungert nach Ruhe und Klarheit.
Die Ausstellung kann im Juni bestimmt stattfinden. [1] Näheren
Termin muss ich Ihnen noch angeben.
Mit frdl. [freundlichem] Gruss
Ihr
ergebener
Hans Goltz
Herrn Egon Schiele
Wien
Lieber Herr Schiele,
Ich bestätige Ihnen 2 neue Bilder und 20 Zeichnungen
erhalten zu haben. Aber Herr Schiele, so sehr ich mich stets über
Ihre Zeichnungen freue und auch bei den bizarrsten Launen gerne mitge-
he, wer soll die Bilder kaufen? Ich habe da sehr wenig Hoffnung.
Sie dürfen mir nicht verübeln, wenn ich, der ich doch gerne allen Künst-
lern der neuen Richtung gefolgt bin, und dessen Verstehen wohl man-
chem ein wenig erleichtert habe, Ihnen gegenüber mein Bedenken aus-
spreche. Was noch vor einem Jahr, ja noch vor einem halben Jahr uns
ausserordentlich stark und deshalb, aber auch nur deshalb zukunfts-
reich erschien, das darf nicht in der Form erstarren. Es war ein Weg
um aus dem wässerig gewordenen Impressionismus herauszukommen. Dieser
Weg ist aber kein Ziel, das schon erreicht ist. Die „Ismen", die als
Wege und als Zerstörung ausserordentlich notwendig waren, müssen sich
nun allmählich abklaren zu ruhiger kraftvoller Kunst. Sonst kann der
Kunsthändler bei allem persönlichen Verständnis nichts mehr ausrich-
||
ten und muss nun mit schwerem Herzen auf weniger starke, aber dafür
wenigstens lesbare Künstler zurückgreifen. Ich will mit diesen Worten
keinen ermahnenden Papa spielen, ich will Sie nur vorbereiten auf ei-
nen gänzlich finanziellen Misserfolg, den Ihre Bilder auf ihrer jetzi-
gen Stufe sowohl als auch die der anderen erleiden müssen. Auch der
wohlwollende und verständnisvolle Teil des Publikums beginnt ungedul-
dig zu werden und hungert nach Ruhe und Klarheit.
Die Ausstellung kann im Juni bestimmt stattfinden. [1] Näheren
Termin muss ich Ihnen noch angeben.
Mit frdl. [freundlichem] Gruss
Ihr
ergebener
Hans Goltz
Annotations
[1] IX. Kollektiv-Ausstellung: Egon Schiele/Wien, Neue Kunst Hans Goltz, München, 25.06.–12.07.1913.
Motif
Letter paper: NEUE KUNST HANS GOLTZ
Provenance
Max Wagner, Vienna
1954: Albertina, Vienna
1954: Albertina, Vienna
Owner
Author
Signee
Recipient
Exhibitions
(+-)
-
IX. Kollektiv-Ausstellung: Egon Schiele/WienNeue Kunst Hans Goltz, Munich, 25th June–12th July 1913
PURL: https://www.egonschiele.at/594