Letter from Egon Schiele to Arthur Roessler
Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection
ESDA ID
483
Nebehay 1979
362
Credit line
Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection, Inv. H.I.N. 180666
Place
Vienna
Date
7th June 1912 (handwritten)
Material/technique
Black ink on paper
Dimensions
14,2 x 10,7 cm (page)
14,2 x 21,4 cm
14,2 x 21,4 cm
Transcription
7. Juni 1912.
Lieber A. R-r.! Goltz [1] schreibt mir
daß Sie ihm mitteilten Sie wollen
nicht mehr mein Vertreter sein; das
ist ganz richtig und ich möchte es
auch so machen; aber in Wirklichkeit
habe ich keine unrechten Absichten ge-
habt nur deshalb habe ich an
Goltz geschrieben, weil ich seit dem
13. April bis heute nichts gearbeitet
habe; außer einiger [!] Zeichnungen;
meine Notizbücher sind schon längst
überfüllte mit dem was ich neu
beginnen will. – Ich werde Ihnen jetzt
alles schreiben in welcher Situation
ich bin. – Ich werde von nun an
bei meiner Mutter [2] wohnen und
tagsüber arbeiten; ich habe bis
jetzt in allen Winkeln von Wien
Ateliers gesucht und alle sind
seit drei Jahren so wahnsinnig teuer
daß ich die nicht bezahlen möchte; unter
800 K[ronen] kein anständiges. – Zufällig
||
zieht Osen [3] aus, der das billigste Atelier
hat; er geht über Sommer nach
Krummau und wenn er zurückkommt
nimmt er irgend ein Zimmer.
Sein Atelier besteht aus zwei größeren
Räumen IX. Höfergasse 18. und
kostet samt Reinigung 40 K im Monat.
Ich könnte dieses sofort übernehmen
indem ich ihm für Juni den Zins gebe.
– Es haben mich aber 3 Leute
in Neulengbach, eben deshalb weil
sie fürchteten, wegen 8 K geklagt
und ich habe so wenig Geld daß ich
den Zins in Neulengb. rückständig [!]
bin und der Hausherr mich nicht
ausziehn läßt. Ich müßte mindestens
so viel haben daß ich übersiedeln kann
das kostet 50 K. und dem Hausherrn
50 K und dem Maurer etwas, also
es dreht sich momentan um 150 K
mehr als dieses nämlich 181 K
habe ich schon meinen [!] Advokaten
||
gegeben. Wenn die „Affäre“ nicht
gewesen wäre so hätte mich natürlich
niemand geklagt. – Reininghaus [4]
ist periodisch, er ist jetzt krank
und ich kann nichts von ihm haben.
Von Osthaus [5] habe ich 200 M[ark] bekommen.
es fehlen noch 150 K im Ganzen. –
Das Atelier des Osen wäre also
erstaunlich billig und ich fände zur
Zeit kein besseres. – Goltz teilte
mit daß der größte Teil meiner
Blätter einem Herrn gehören, das [!]
Sie ihm schrieben. Es müssen im
ganzen 100 Blätter beiläufig sein
die ich an Goltz gab. Es wäre
demnach dringend notwendig
daß ich auch von dem Herrn dem
die Blätter gehören ein Geld bekäme.
Ich kann es ja wirklich für nichts
anderes brauchen. Weil: ich
mit Peschka [6] Schluß gemacht habe, der
hat sich höchst unschön benommen u. s. w.
||
Es gibt darüber sehr viel zu sagen. An
der [Wiener] Werkstätte hat Wimmer [7] die
neuen Blätter von Triest. – Bitte
schreiben Sie sofort was man
tun soll, es ist jede Stunde höchst
günstig. Zukünftig teile ich
mit meiner Mutter, und werde
das übrige, an Geld nur für Zins
Transporte Farben Modelle u. dgl. [und dergleichen]
verwenden können. Im Sommer
glaube ich nicht fortzugehn, weil
ich das versäumte [!] unbedingt
mehrfach nachholen will. – In
der jungen Kunstbewegung gibt
es vieles unsichtbares Neues.
Schreiben Sie! – Wann kommen Sie!
Herzliche Grüße Egon Schiele.
An gnädige Frau [8] Handkuß
XII., Rosenhügelstraße 9.
Lieber A. R-r.! Goltz [1] schreibt mir
daß Sie ihm mitteilten Sie wollen
nicht mehr mein Vertreter sein; das
ist ganz richtig und ich möchte es
auch so machen; aber in Wirklichkeit
habe ich keine unrechten Absichten ge-
habt nur deshalb habe ich an
Goltz geschrieben, weil ich seit dem
13. April bis heute nichts gearbeitet
habe; außer einiger [!] Zeichnungen;
meine Notizbücher sind schon längst
überfüllte mit dem was ich neu
beginnen will. – Ich werde Ihnen jetzt
alles schreiben in welcher Situation
ich bin. – Ich werde von nun an
bei meiner Mutter [2] wohnen und
tagsüber arbeiten; ich habe bis
jetzt in allen Winkeln von Wien
Ateliers gesucht und alle sind
seit drei Jahren so wahnsinnig teuer
daß ich die nicht bezahlen möchte; unter
800 K[ronen] kein anständiges. – Zufällig
||
zieht Osen [3] aus, der das billigste Atelier
hat; er geht über Sommer nach
Krummau und wenn er zurückkommt
nimmt er irgend ein Zimmer.
Sein Atelier besteht aus zwei größeren
Räumen IX. Höfergasse 18. und
kostet samt Reinigung 40 K im Monat.
Ich könnte dieses sofort übernehmen
indem ich ihm für Juni den Zins gebe.
– Es haben mich aber 3 Leute
in Neulengbach, eben deshalb weil
sie fürchteten, wegen 8 K geklagt
und ich habe so wenig Geld daß ich
den Zins in Neulengb. rückständig [!]
bin und der Hausherr mich nicht
ausziehn läßt. Ich müßte mindestens
so viel haben daß ich übersiedeln kann
das kostet 50 K. und dem Hausherrn
50 K und dem Maurer etwas, also
es dreht sich momentan um 150 K
mehr als dieses nämlich 181 K
habe ich schon meinen [!] Advokaten
||
gegeben. Wenn die „Affäre“ nicht
gewesen wäre so hätte mich natürlich
niemand geklagt. – Reininghaus [4]
ist periodisch, er ist jetzt krank
und ich kann nichts von ihm haben.
Von Osthaus [5] habe ich 200 M[ark] bekommen.
es fehlen noch 150 K im Ganzen. –
Das Atelier des Osen wäre also
erstaunlich billig und ich fände zur
Zeit kein besseres. – Goltz teilte
mit daß der größte Teil meiner
Blätter einem Herrn gehören, das [!]
Sie ihm schrieben. Es müssen im
ganzen 100 Blätter beiläufig sein
die ich an Goltz gab. Es wäre
demnach dringend notwendig
daß ich auch von dem Herrn dem
die Blätter gehören ein Geld bekäme.
Ich kann es ja wirklich für nichts
anderes brauchen. Weil: ich
mit Peschka [6] Schluß gemacht habe, der
hat sich höchst unschön benommen u. s. w.
||
Es gibt darüber sehr viel zu sagen. An
der [Wiener] Werkstätte hat Wimmer [7] die
neuen Blätter von Triest. – Bitte
schreiben Sie sofort was man
tun soll, es ist jede Stunde höchst
günstig. Zukünftig teile ich
mit meiner Mutter, und werde
das übrige, an Geld nur für Zins
Transporte Farben Modelle u. dgl. [und dergleichen]
verwenden können. Im Sommer
glaube ich nicht fortzugehn, weil
ich das versäumte [!] unbedingt
mehrfach nachholen will. – In
der jungen Kunstbewegung gibt
es vieles unsichtbares Neues.
Schreiben Sie! – Wann kommen Sie!
Herzliche Grüße Egon Schiele.
An gnädige Frau [8] Handkuß
XII., Rosenhügelstraße 9.
Annotations
[1] Hans Goltz, Kunsthändler (1873–1927).
[2] Marie Schiele, geb. Soukup (1862–1935).
[3] Erwin Osen (1891–1970).
[4] Carl Reininghaus, Industrieller (1857–1929).
[5] Karl Ernst Osthaus, Kunsthistoriker (1874–1921).
[6] Anton Peschka (1885–1940).
[7] Eduard Wimmer-Wisgrill (1882–1961).
[8] Ida Roessler (1877–1961).
[2] Marie Schiele, geb. Soukup (1862–1935).
[3] Erwin Osen (1891–1970).
[4] Carl Reininghaus, Industrieller (1857–1929).
[5] Karl Ernst Osthaus, Kunsthistoriker (1874–1921).
[6] Anton Peschka (1885–1940).
[7] Eduard Wimmer-Wisgrill (1882–1961).
[8] Ida Roessler (1877–1961).
Provenance
Nachlass Arthur Roessler
1956, 1963, 1969:
Wienbibliothek im Rathaus
1956, 1963, 1969:
Wienbibliothek im Rathaus
Recorded in
Roessler 1921, S. 67-69
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Recipient
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Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection
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