Letter from Arthur Stemmer to Melanie Schiele, addressed to Marie Schiele
Albertina, Vienna
ESDA ID
2581
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Credit line
Albertina, Vienna, Inv. ESA 644 a (envelope), 644 b (letter)
Place
Vienna
Date
21st Nov. 1920 (handwritten)
Material/technique
Black ink on paper
Dimensions
17,3 x 10,9 cm (page)
11,3 x 16,2 cm (envelope)
11,3 x 16,2 cm (envelope)
Transcription
Wien 21. XI 1920
Mein sehr geschätztes Fräulein!
Ich hatte im Verfolge des Bildverkaufes
Gelegenheit, wiederholt mit Herrn
Peschka [1] im Atelier zu sein und
wurde, als ich auch den gesamten
Nachlaß an Oelbildern mein
Anbot stellte, nicht darüber in-
formiert, daß außer den auf
der Galerie befindlichen Bildern
noch unten im Atelier eine
„Entschwebung“ [2] aufbewahrt war.
Daß ich davon nichts erfuhr, erachte
ich – uns so stellt es auch Herr
Peschka dar als ein Übersehen,
welchem nicht im Entferntesten eine
Absicht zugrundelag. Nachdem
ich nun mit Ihnen, gnädiges Fräulein
und mit der Frau Mutter den
Kauf einverständlich abgeschlossen
hatte, erfuhr ich erst, daß noch
ein Bild draußen sei und habe
||
infolgedessen sogleich durch Herrn
Peschka auch auf dieses bieten
lassen. – Seien Sie nun nicht
ungehalten, sehr wertes Fräulein,
wenn ich Ihnen gestehe, daß
ich ein wenig peinlich berührt
war, als ich erfahren mußte,
daß Sie dieses eine Bild
als ganz unabhängig von meinem
Bestreben um den Nachlaß
behandeln wollen, während
es mir selbstverständlich erscheint,
daß diese Angelegenheit mit
meinem Kaufe untrennbar
zusammenhängt und daher
sogleich erledigt werden sollte. –
Ich darf annehmen, daß
mein Vorgehen in der
ganzen Affaire Ihnen jenen
angenehmen Eindruck hinterlassen
hat, den ich erzielen
wollte, und ich will hoffen,
||
daß daher mein Wunsch
gerechterweise berücksichtigt
wird, wie auch ich getrachtet
habe, den Wünschen Ihrer
wt. [werten] Familie entgegenzukommen.
Im Zusammenhange damit,
allerdings aber in diesem
Falle unabhängig davon
biete ich auch auf die in
Dresden befindliche
„Auferstehung“ [3] u. zw. [und zwar]
ab Dresden K 30.000.–,
wobei ich alle Spesen des
Rücktransportes selbst
trage.
Sehr geehrtes Fräulein, ich
bitte Sie höfl.[ichst], mich wissen
zu lassen, ob ich nunmehr
darauf rechnen kann,
daß Sie meiner Auffassung
gemäß mir die „Entschwebung“
||
um K 30.000.– überlassen,
ferner auch, ob Sie geneigt
sind, die „Auferstehung“ an
mich abzugeben und derart
auch diese Bilder in meiner
Ihnen jederzeit zugänglichen
Sammlung zu vereinigen.
Es würde mir andernfalls
sehr leid thun, wenn aus
dieser Angelegenheit, die
ich mit reinstem Interesse
behandle, ein Mißklang
und Verdruß für mich resultieren
würde. –
Ihre gütige umgehende Nachricht,
sei es brieflich, se es durch
Herrn Peschka erwartend,
empfehle ich mich Ihnen mit
Handkuß an Frau Mutter
als Ihr ergebener
A. Stemmer
V. Margarethenstraße 70
[Kuvert:]
Wg. [Wohlgeboren] Frau
Marie Schiele
VI Gfrornergasse
7
[von anderer Hand:]
Stemmer
Erwerbungen aus dem Nachlass E. SCH.
Mein sehr geschätztes Fräulein!
Ich hatte im Verfolge des Bildverkaufes
Gelegenheit, wiederholt mit Herrn
Peschka [1] im Atelier zu sein und
wurde, als ich auch den gesamten
Nachlaß an Oelbildern mein
Anbot stellte, nicht darüber in-
formiert, daß außer den auf
der Galerie befindlichen Bildern
noch unten im Atelier eine
„Entschwebung“ [2] aufbewahrt war.
Daß ich davon nichts erfuhr, erachte
ich – uns so stellt es auch Herr
Peschka dar als ein Übersehen,
welchem nicht im Entferntesten eine
Absicht zugrundelag. Nachdem
ich nun mit Ihnen, gnädiges Fräulein
und mit der Frau Mutter den
Kauf einverständlich abgeschlossen
hatte, erfuhr ich erst, daß noch
ein Bild draußen sei und habe
||
infolgedessen sogleich durch Herrn
Peschka auch auf dieses bieten
lassen. – Seien Sie nun nicht
ungehalten, sehr wertes Fräulein,
wenn ich Ihnen gestehe, daß
ich ein wenig peinlich berührt
war, als ich erfahren mußte,
daß Sie dieses eine Bild
als ganz unabhängig von meinem
Bestreben um den Nachlaß
behandeln wollen, während
es mir selbstverständlich erscheint,
daß diese Angelegenheit mit
meinem Kaufe untrennbar
zusammenhängt und daher
sogleich erledigt werden sollte. –
Ich darf annehmen, daß
mein Vorgehen in der
ganzen Affaire Ihnen jenen
angenehmen Eindruck hinterlassen
hat, den ich erzielen
wollte, und ich will hoffen,
||
daß daher mein Wunsch
gerechterweise berücksichtigt
wird, wie auch ich getrachtet
habe, den Wünschen Ihrer
wt. [werten] Familie entgegenzukommen.
Im Zusammenhange damit,
allerdings aber in diesem
Falle unabhängig davon
biete ich auch auf die in
Dresden befindliche
„Auferstehung“ [3] u. zw. [und zwar]
ab Dresden K 30.000.–,
wobei ich alle Spesen des
Rücktransportes selbst
trage.
Sehr geehrtes Fräulein, ich
bitte Sie höfl.[ichst], mich wissen
zu lassen, ob ich nunmehr
darauf rechnen kann,
daß Sie meiner Auffassung
gemäß mir die „Entschwebung“
||
um K 30.000.– überlassen,
ferner auch, ob Sie geneigt
sind, die „Auferstehung“ an
mich abzugeben und derart
auch diese Bilder in meiner
Ihnen jederzeit zugänglichen
Sammlung zu vereinigen.
Es würde mir andernfalls
sehr leid thun, wenn aus
dieser Angelegenheit, die
ich mit reinstem Interesse
behandle, ein Mißklang
und Verdruß für mich resultieren
würde. –
Ihre gütige umgehende Nachricht,
sei es brieflich, se es durch
Herrn Peschka erwartend,
empfehle ich mich Ihnen mit
Handkuß an Frau Mutter
als Ihr ergebener
A. Stemmer
V. Margarethenstraße 70
[Kuvert:]
Wg. [Wohlgeboren] Frau
Marie Schiele
VI Gfrornergasse
7
[von anderer Hand:]
Stemmer
Erwerbungen aus dem Nachlass E. SCH.
Annotations
[1] Anton Peschka (1885–1940).
[2] Entschwebung (Die Blinden II), 1915, K P288.
[3] Auferstehung (Gräber), 1913, K P251.
[2] Entschwebung (Die Blinden II), 1915, K P288.
[3] Auferstehung (Gräber), 1913, K P251.
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